Verhalten hat viele Facetten – Aggressionen

Claudia Steiner ist DOGS Coach in Rosenheim/Traunstein. Sie ist geprüfte Trainerin mit Spezialisierung auf „Arbeiten mit aggressiven Tierheimhunden“ und geprüfte Diabetikerwarnhundtrainerin

Du hast dich auf das Training mit aggressiven Hunden spezialisiert. Wie kam es dazu?

Das Thema Aggressionsverhalten hat mich persönlich schon immer sehr interessiert. Wie entsteht es? Gibt es Rasseunterschiede? Und vor allem: Wie weit ist es trainierbar? Meine Rhodesian-Ridgeback-Hündin war selbst nicht immer einfach. Es geschah nicht selten, dass sie andere Hunde auf den Boden drückte, festhielt oder auch Schwächere mobbte. Durch die Ausbildung bei Martin Rütter DOGS habe ich gelernt, dass es nicht „ihre Probleme“ waren, sondern ihr Verhalten durch mein Handeln bzw. NICHT-Handeln begründet war. Als Trainerin fiel mir auf, dass Hunde immer häufiger Verhaltensauffälligkeiten zeigten, vor allem im Bereich der Aggression, sodass die Verhaltenstherapie dieser Hunde mein Steckenpferd wurde.

In Tierheimen landen immer mehr Hunde mit Verhaltensauffälligkeiten. Woran liegt das?

Eine artgerechte Hundehaltung ist heutzutage kaum möglich, der Hund muss sich unseren Lebensumständen anpassen. Aufgrund der immer größer werdenden Hundedichte werden „Territorien“ immer kleiner und sinnvolle Aufgaben werden dem „Familienhund“ oft nicht mehr geboten - dies schafft zunehmend Probleme. Die Verantwortung liegt klar beim Menschen.

Wie unter scheidet sich Training mit einem „schwierigen“ Hund zu jenem eines „durchschnittlichen“ Familienhundes?

An sich unterscheidet sich das Training nicht, auch nicht in Bezug auf unangemessenes Aggressionsverhalten. Jeder Hund ist und bleibt ein Hund, der respektiert und geliebt werden möchte, nach Sicherheit strebt, Beschäftigung und vor allem Grenzen und Regeln braucht. Zeigt ein Hund unangemessenes aggressives Verhalten, müssen jedoch beim Training ausreichend Sicherheitsmaßnahmen berücksichtigt werden. Der Hund muss einen passenden Maulkorb tragen bzw. durch einen stabilen Zaun von anderen getrennt sein. Zudem muss man die Hundehalter mental viel mehr unterstützen, sodass sich das Training oft schwieriger und vor allem emotionaler gestaltet.

Wie gehst du beim Trainingsaufbau vor?

Zuerst muss ich herausfinden, warum der Hund unangemessenes aggressives Verhalten zeigt. Ich sage bewusst „muss“, denn viele Hunde, die ich im Training begleite, wollen den Schritt nach vorne gar nicht gehen. Vielmehr sehen sie sich zum Handeln gezwungen, da der Mensch passiv bleibt. In kleinsten Teilschritten lernt der Hund dann zum einen, dass er keinen Erfolg mehr mit seinem Verhalten hat. Er lernt zudem neue Beschäftigungsformen kennen, wie z. B. das Tragen von Beute, was dann auch dazu dient, Erregung abzubauen, sodass aggressives Verhalten vermieden wird. Natürlich muss auch der Mensch lernen, Verantwortung für seinen Hund zu übernehmen, um ihm ein Gefühl von Sicherheit zu geben. Dies ist häufig der für die Menschen anstrengendste Teil des Trainings.

Ist jeder Hund resozialisierbar?

Bei den meisten Hunden ist eine Integration in die Gesellschaft durch zielgerichtetes Training, Geduld und Vertrauen möglich, manchmal jedoch nur mit einigen Einschränkungen, wie z. B. einer Maulkorb- oder Leinenpflicht. Denn auch wenn der Hund selbst im Alter noch in der Lage ist, Neues zu lernen, lassen sich bisherige Erfahrungen nicht einfach so löschen. Fast immer ist es jedoch möglich, die Lebensqualität von Hund und Halter so zu verbessern, dass ein entspanntes Leben in einem bestimmten, fest gesteckten Rahmen möglich ist. Hierbei kommt es darauf an, den Halter so zu schulen, dass er seinen Hund gut einschätzen und in jeder Situation sicher führen kann.

Hast du Haltern schon einmal geraten, ihren Hund abzugeben?

Bis jetzt noch nicht.