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Fellnase des Monats November 2022: PAUL

Vom traumatisierten Zuchtrüden zum motivierten Suchhund

Golden Retriever-Rüde Paul ist bildschön: ein weißer, flauschiger Kerl mit einem Kopf, der an den Glücksdrachen "Fuchur" in "Die unendliche Geschichte" erinnert. Genau das ist ihm beinahe zum Verhängnis geworden. Denn Paul sollte als Zuchtrüde eingesetzt werden. Mit rund einem halben Jahr kam er aus der Ukraine zu einem Vermehrer in Deutschland. Dort sollte er die Zucht auffrischen. Eben weil er so hübsch ist. Wie es dem jungen Rüden dabei erging und wieviel Stabilität er im Hinblick auf seine geistige Reifung erhalten hat - dies interessierte mit aller Wahrscheinlichkeit niemanden. Mit etwas eineinhalb Jahren wurde Paul dann aus der Zuchtanlage entlassen - er sei "untauglich wegen Hüft- und Ellenbogenproblemen". Er kam in den Tierschutz und von dort auf eine Pflegestelle in die Pfalz. Zum Glück waren seine beiden neuen Frauchen die totalen Pflegestellen-Versagerinnen und behielten Paul - das Beste, was dem jungen Rüden passieren konnte!

Schnell offenbarte sich, dass Paul sehr Rasse untypisches Verhalten zeigte: Er verteidigte sein Zuhause mit aller Vehemenz gegenüber Besuchern. Menschen, vor allem Kinder, waren ihm unheimlich und wurden sogleich aggressiv angeknurrt. Alles, was ihm fremd war, verunsicherte ihn zutiefst. Und als ein ursprünglich für die Jagd gezüchteter Hund zeigte Paul keinerlei Interesse am Apportieren. Zudem versetzte ihn jedes lautere Geräusch in Panik.

Im Training ging es erst mal um klare Strukturen, die Paul Sicherheit vermitteln sollten. Seine beiden Frauchen lernten, Pauls feine körpersprachliche Signale zu erkennen und zu verstehen, wann er sich unwohl fühlte. Paul brauchte Rückzugsorte und Rituale, an denen er sich orientieren konnte, z. B. sein Schnuffeltuch, ein Duftsäckchen mit Lavendelgeruch oder ein sogenanntes Thundershirt, welches ihn bei Gewitter-Stress beruhigt.

Ein gutes Körpergefühl war außerdem wichtig. Regelmäßige Physiotherapie tut nicht nur Pauls Rücken, Hüfte und Ellenbogen gut - die Übungen fördern auch die Konzentration und Koordination. Zu Hause steht inzwischen ein kleiner Parcours, der hilft, beinahe täglich Muskeln und Geist zu trainieren. Und bei der Physiotherapeutin gibt's alle 10 Tage eine kräftigende Massage noch dazu.

All dies half nicht nur Paul selbst, sondern stärkte auch die Bindung zu seinen beiden Besitzerinnen. Bahnbrechend war das Mantrailing! Hier wurden Paul und seine Menschen zu einem echten Team, das gemeinsam knifflige Aufgaben lösen konnte. In den zwei Jahren, die Paul nun schon trailt, hat er bereits einige Prüfungen bestanden. Wie selbstsicher ihn dieses Training gemacht hat, zeigte sich im September: Unbeirrt marschierte Paul über das Gelände des Dürkheimer Wurstmarkts und fand trotz vieler fremder Menschen und den lauten Aufbauarbeiten rundum seine Versteckperson. Nächstes Ziel: Das Team Paul möchte in die Tiersuche einsteigen und Teil der Staffel werden!

Paul wird immer ein unsicherer und hochsensibler Hund bleiben und seine kleineren Baustellen haben, wie beispielsweise seine Lärmempfindlichkeit und sein Misstrauen gegenüber manchen Männern und Kindern. Aber er und seine Frauchen wissen inzwischen damit umzugehen. Paul ist ein großer Charmeur und genießt mittlerweile auch von fremden Menschen seine Streicheleinheiten. Und er hat den DOGS-Hundeführerschein mit Bravour bestanden!  

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