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Wenn aus Spiel Ernst wird

Ein Artikel unserer DOGS Partnerin Corinna Geis (Martin Rütter DOGS Frankfurt) für die Zeitschrift "Mein Hund und ich".

Gerade sind Susi und Strolch noch gemeinsam über die Wiese getollt, plötzlich kippt die Situation – scheinbar aus heiterem Himmel. Damit eine Hundebegegnung harmonisch verläuft, sollten gewisse Regeln eingehalten werden

Sicherlich gehört ein richtiges Spiel unter Hunden mit zum Schönsten im Alltag mit Hund, in jedem Fall aus Sicht der Halter. Dabei zuzusehen macht wirklich Freude. Aber auch aus Sicht der Hunde gehört ein tolles Spiel mit Artgenossen einfach zum Leben dazu, denn es führt zu einem besseren Verständnis untereinander, es trainiert, es lastet aus und macht einfach Spaß – vorausgesetzt, es ist ein richtiges Spiel! Im Folgenden schildere ich Ihnen einige Szenen, die wohl die meisten von uns schon erlebt haben, denn sie passieren tagtäglich auf allen Hundewiesen, in Freilaufzonen oder Parks. Tatsächlich lohnt es sich, genauer hinzuschauen.

Szene 1: Das Leinen-Schlamassel

Michaela geht mit ihrer 3-jährigen Mischlingshündin Marla durch den Park. Marla kommt aus einem Tierheim in Spanien und ist seit etwa einem Jahr bei Michaela. Das Zusammenleben klappt im Großen und Ganzen prima, aber hin und wieder büchst sie aus. Darum hat Michaela sie meist an der Leine. Plötzlich kommt ein junger Spaniel angelaufen, fröhlich mit der Rute wedelnd und springt um die beiden herum. Mit etwas Abstand dahinter folgt das Frauchen und ruft: „Das ist kein Problem, der ist total lieb. Der will nur spielen!“ Marla springt in die Leine, ist aufgeregt. Michaela versucht, die Situation in den Griff zu bekommen, was aber schwierig wird, weil der Spaniel um die zwei herumspringt und immer wieder versucht, an Marla heranzukommen. Irgendwann fängt Marla an, nervös zu bellen. Die Leine verheddert sich zwischen den Beinen von Michaela, sodass sie fast ins Stolpern kommt. Jetzt ist auch das Frauchen des Spaniels da, schaut Michaela genervt an und versucht ihren Hund zurückzuholen mit dem Kommentar: „Na, Ihr Hund ist aber nicht sehr nett“.

Szene 2: Matchball

Auf einer Hundewiese: Der junge Golden-Retriever-Rüde Sammy spielt mit seinem Kumpel, dem 1,5-jährigen Großpudel Rico. Die beiden unkastrierten Rüden kennen sich seit der Welpengruppe. Die beiden Frauchen gehen seitdem gerne regelmäßig gemeinsam spazieren und lassen die Jungs toben und spielen. Manchmal geht es wild zu, es wird laut geknurrt, sich abwechselnd gegenseitig gejagt und gerne auch mal ins Fell gepackt. Im Moment sind die zwei damit beschäftigt, sich gegenseitig ein winziges Ästchen abzujagen, das einer von beiden gefunden hat und nun mit hoch erhobener Rute stolz im Galopp über die Wiese trägt, während der andere hinterherjagt und versucht, ihm den Weg abzuschneiden. Plötzlich stoppt Sammy abrupt ab und fängt intensiv an, am Boden zu schnüffeln. Auch Rico wird nun neugierig, was sein Freund da wohl gefunden hat und läuft in seine Richtung. Sammy wird kurz steif, als Rico sich nähert, senkt den Kopf und fixiert ihn, zieht die Lefzen hoch und springt knurrend auf Rico zu. Rico stoppt abrupt, wendet sich zügig ab und fängt abseits seinerseits an, am Boden intensiv zu schnüffeln. Sammy schaut kurz, was Rico macht, dreht sich wieder zu dem Platz um, an dem er vorher war und hat dann einen alten Tennisball im Maul, den er nun stolz über die Wiese trägt. Was ist hier passiert? Bis eben haben die zwei doch noch so schön gespielt...

Szene 3: Ménage à trois

Georg geht mit seinen beiden Hunden Ludwig und Henriette im Wald spazieren. Ludwig ist ein kastrierter Labrador-Mix, etwa 4 Jahre alt. Henriette ist eine 6-jährige unkastrierte Elo-Hündin. Ludwig kam als Welpe zur Familie. Beide Hunde hören gut und sind relativ gut abrufbar, darum laufen sie mit Georg in der Regel unangeleint auf dem Waldweg mit.

Nun kommt ihnen – ebenfalls unangeleint – der 13 Monate alte unkastrierte Mops-Rüde Franzl entgegen. Das Frauchen  von Franzl, Carola, sieht, dass die beiden anderen Hunde nicht angeleint sind und nimmt daher ihren Hund ebenfalls nicht an die Leine. Mit großem Hallo und Gehüpfe stürmt Franzl auf die beiden Hunde zu, die kurz verharren. Carola versucht noch kurz, Franzl zurückzurufen, weil es ihr unangenehm ist, dass der so losstürmt, aber Franzl reagiert nicht mehr. Er läuft direkt in Richtung Henriette und springt um sie herum, versucht sie zu beschnuppern. Frauchen Carola ruft in Richtung Georg: „Keine Sorge, der ist ganz lieb, nur noch sehr jung. Der will nur spielen.“ Henriette versucht sich dem Geschnupper zu entziehen und fängt an, leise zu knurren. In diesem Moment springt Ludwig mit einem lauten Knurren nach vorne und stellt sich über den jungen Mops- Rüden. Dieser ist nun deutlich erschrocken und dreht sich auf den Rücken. Frauchen Carola bekommt Angst und schimpft laut mit Georg, warum dieser seinen Hund denn nicht an der Leine hat, wenn der so böse ist. Henriette läuft weiter und in dem Moment lässt auch Ludwig von Franzl ab, läuft hinter Henriette her, allerdings immer mal wieder mit einem kurzen Blick Richtung Franzl, um sich zu vergewissern, dass dieser nicht auf die Idee kommt, zu folgen.

Was ist hier passiert?

Die erwachsene Hündin Marla aus unserer ersten Szene „Leinen- Schlamassel“ z. B. ist aufgrund der Tatsache, dass sie angeleint ist, in ihren Möglichkeiten sehr eingeschränkt. Hunde versuchen Konflikte oder angespannte Situationen in der Regel erstmal durch Ausweichen zu lösen, was aber an der Leine nicht funktioniert. Der junge Spaniel Rüde will vor allem die Welt entdecken und testet seine Grenzen aus. Auf einer großen Wiese, beide Hunde ohne Leine, hätte Marla entweder die Möglichkeit, ihm auszuweichen, ihn zu einem entspannenden Spiel aufzufordern oder ihm ggfs. auch energisch entgegenzutreten, um ihn so zum Gehen aufzufordern. Alle diese Verhaltensweisen sind nicht möglich, weil Marla angeleint ist. Es entsteht eine chaotische Situation, die weder für Marla noch für das Frauchen Michaela, und am Ende auch nicht für den jungen Spaniel, eine positive Lernerfahrung mit sich bringt.

Was also hätte hier anders laufen können?

Grundsätzlich sollte man, wenn einem ein angeleinter Hund entgegen kommt, den eigenen Hund so früh wie möglich entweder zu sich rufen – und sofern das ohne Leine möglich ist – ihn auch bei sich behalten, oder aber man leint seinen Hund einfach an. Die Gründe, warum ein anderer Hundehalter seinen Hund an der Leine hat, können vielfältig sein und manchmal ist es für eine Erklärung zu spät, wenn der eigene Hund den angeleinten Hund bereits erreicht hat.

Bei der zweiten Szene „Matchball“ handelt es sich um ein schönes Beispiel dafür, dass es auch unter vertrauten und „befreundeten” Hunden durchaus zu Momenten kommen kann, in denen aus einem Spiel Ernst wird. In diesem Fall war es der Ball, der für den jungen Golden Retriever eine spannende Beute war, die es zu verteidigen galt. Der Vorteil in dieser Konstellation ist, dass diese beiden Hunde sich gut kennen und wissen, wie sie miteinander umzugehen haben. Die beiden jungen Rüden sind gerade dabei, ihre Männlichkeit zu entwickeln und sich im Spiel zu messen. Rico war schnell klar, wie weit er gehen bzw. eben nicht gehen konnte. Als Sammy ihm ernsthaft drohte, hat er das schnell verstanden und – um nicht „ganz blöd da zu stehen“ – mal eben so getan, als ob er etwas Besseres zu tun hätte.

Wenn eine solche angespannte Situation unter Hunden geschieht, die sich nicht so gut kennen und jeweils die Möglichkeiten und Grenzen das anderen nicht so gut einschätzen können, kann daraus schnell mal ein ernstzunehmender Konflikt entstehen, der im schlimmsten Fall auch mit Verletzungen enden kann.

Wichtig ist daher, in solchen Momenten, seine Hunde gut im Blick zu haben und als Mensch die Situation gut einschätzen zu können. Ich muss von außen erkennen, wann aus dem Spiel Ernst wird und ich muss dann auch in der Lage sein, meinen Hund abrufen zu können. Hier gilt immer: lieber früher als später. Je geringer der Stresspegel bei den Hunden ist, umso größer ist die Chance, dass ich von außen noch einwirken kann.

Woran erkenne ich, dass es sich um ein Spiel handelt?

Bei der Deutung von spielerischem Zusammentreffen von Hunden entstehen die meisten Missverständnisse und das liegt hauptsächlich daran, dass Spielen bei Hunden und Auseinandersetzungen bzw. das „Sich-Aneinander-Messen“ oder „Abchecken“ von außen betrachtet nahezu gleich aussehen. Denn Hunde trainieren im Spiel genau diese Situationen. Es wird also im vertrauten Umfeld geübt, wie man einem anderen Hund begegnet, wie man ihm Grenzen setzt und welche eigenen Fähigkeiten man dabei einsetzen kann. Das beginnt beim Begrenzen oder in den Weg laufen und geht über Anrempeln und Rangeln bis hin zum gegenseitigen Jagen oder sogar Beißen.

Spielverhalten beim Hund erkenne ich als Mensch vor allem daran, dass die Handlungen üblicherweise sehr viel stärker und übertriebener ausgeführt werden, als in einer „echten“ Auseinandersetzung. Das Gehüpfe ist heftiger, das Bellen lauter, die Augen sind oftmals weit aufgerissen und auch das Maul ist oft sehr weit offen. Es geht häufig wirklich „hoch her“. Aber – und das ist der entscheidende Punkt – für beide oder, falls es eine Gruppe ist, alle Teilnehmer ist im Prinzip klar, dass keinerlei „böse Absicht“, also keine ernsthafte Aggression, hinter dem Verhalten steckt.

Ein weiterer wichtiger Punkt beim Spiel – und gleichzeitig auch ein guter Aspekt, um das Spiel von außen zu beurteilen, ist ein ständiger Rollenwechsel. Das heißt, mal ist einer der „Angreifer“ und der andere das „Opfer“ und nach kurzer Zeit findet das Spiel genau anders herum statt. Nur wenn ein Spiel in diesem Wechsel abläuft, kann man von einer ausgeglichenen Situation reden, die für beide bzw. alle Teilnehmer positiv ist. Wenn dieser Wechsel nicht mehr stattfindet, redet man nicht mehr von Spiel, sondern von „Mobbing“, das heißt ein Hund wird dauerhaft zum Opfer. Das passiert besonders gerne in Konstellationen mit mehreren Hunden. Zusammen ist man stark und so sucht man sich gemeinsam denjenigen aus, der noch schwächer erscheint. Dadurch kommen dann oft auch Hunde zum Zuge, die allein dazu nicht in der Lage wären. Und nun noch zu Henriette und Ludwig und ihrer Begegnung mit Mops Franzl beim „Ménage à trois“: In diesem Fall ist ein dritter in eine Zweier-Beziehung „eingedrungen“. Henriette und Ludwig sind ein Paar. Sie „gehen“ sozusagen miteinander und einer passt auf den anderen auf. Dabei spielt es keine Rolle, dass Ludwig ein kastrierter Rüde ist, denn er wurde erst mit zwei Jahren kastriert, damit er erwachsen werden und sich vollständig entwickeln konnte. Damit hat Ludwig aber auch ein sexuelles Verständnis entwickelt und betrachtet Henriette als „seine“ Partnerin. Der junge ungestüme Mops hat sich der Hündin aus Ludwigs Sicht unangemessen genähert und sie bedrängt, sodass dieser daraufhin „seine“ Henriette beschützt und verteidigt. Offensichtlich war er dabei in der Lage, den Mops so weit gut einzuschätzen, dass er wusste, wie massiv er werden musste. Er hat ihn lediglich gestoppt und geblockt, sodass Henriette weitergehen konnte und es zu keiner weiteren aggressiven Auseinandersetzung, wie etwa einer Beißerei, kam.

Wenn ich mit einem einzelnen Hund auf ein Pärchen oder eine zusammengehörende Gruppe von Hunden zugehe, muss ich also damit rechnen, dass diese Hunde als Team auftreten. Ein Eindringling wird immer erstmal skeptisch betrachtet. Hier sollte man mit seinem Hund lieber etwas Abstand halten, um Konflikte zu vermeiden.

7 Goldene „Spiel-Regeln”

1)      Die Hunde kennen und mögen sich.

2)      Die Hunde sind sich von der körperlichen Beschaffenheit gewachsen und ähnlich (Größe, Gewicht, Alter ...), damit es nicht zu Verletzungen kommt oder sich einer der Partner aufgrund eines Ungleichgewichts bedrängt fühlt.

3)      Die „Spielwiese“ ist nicht zu klein, es ist Platz zum Toben und zum Ausweichen.

4)      Wenn mehrere Hunde im Spiel sind, darf keine Mobbing- Situation entstehen.

5)      Keiner der Hunde zeigt deutliche Stress- oder Angstsignale.

6)      Jeder Hund ist gut abrufbar, so dass man ihn auch immer mal wieder aus dem Spiel herausrufen kann.

7)      Auch ein „schönes“ Spiel darf gerne mal unterbrochen werden, um die Hunde dann weiterspielen zu lassen. So wird zum einen der Rückruf trainiert, zum anderen lernen die Hunde, dass ein Abbruch nicht immer auch das Ende eines Spiels bedeuten muss.

Rückruftraining – so klappt der Abruf aus dem Spiel

Der zuverlässige Rückruf ermöglicht dem Hund viele Freiheiten beim täglichen Spaziergang, insbesondere aber beim Zusammentreffen und gemeinsamen Spiel mit Artgenossen. Zunächst trainiert man den Rückruf auf ein bestimmtes Signal, wie z. B. „Hier“ oder einen Pfiff, ohne jegliche Ablenkungen. Kommt der Hund zuverlässig auf das Signal zum Menschen, fügt man Ablenkungen hinzu, z. B. durch andere Hunde. Diese sollten sich anfangs in weiter Distanz befinden und möglichst wenig dynamisch sein, also z. B. ruhig sitzen und warten. Schritt für Schritt wird nun die Distanz verringert, die ablenkenden Hunde dürfen sich immer mehr bewegen, indem sie z. B. bei Fuß mit ihren Menschen laufen, aus dem Bleib abgerufen werden oder sich bei einem Apportierspiel dynamisch bewegen.

Nun wird es Zeit, das Rückruf-Signal im Spiel zu trainieren. Als Trainingspartner wählt man dazu einen Hund, der bereits zuverlässig aus dem Spiel abrufbar ist. Die beiden Hunde dürfen nun miteinander spielen, man lässt das Spiel für einige Zeit laufen. Kommt es irgendwann zu einer kurzen Spielpause, werden beide Hunde zu ihren Menschen gerufen. Da der Trainingshund auf dieses Signal zuverlässig reagieren und zu seinem Menschen laufen wird, ist das Spiel unterbrochen, sodass auch der andere Hund seinen Menschen aufsuchen wird. Nach einer Belohnung dürfen beide Hunde dann das Spiel wieder aufnehmen. Im Laufe des Trainings werden die Hunde dann immer früher und auch mitten aus einer Spielsituation abgerufen, bis man selbst ein dynamisches, wildes Spiel lediglich mit einem kurzen Ruf unterbrechen kann.