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Pseudospiele – Warum Bälle werfen nichts mit Spielen zu tun hat

Ein Artikel unseres Kollegen Marc Lindhorst der Hundeschule Martin Rütter DOGS Kiel/Lübeck.

 

Wer kennt sie nicht? Der Mensch steht mit seinem Hund im Park auf der Wiese und kramt das Bällchen aus der Tasche. Der Vierbeiner bellt bereits aufgeregt und dreht sich wie wild im Kreis, bis der Ball endlich geworfen wird. Auf die Frage, was die beiden dort tun, folgt oft die Antwort, dass es sich um ein tolles Spiel handelt. Doch ist das wirklich so?

 

Um echtes Spielverhalten bei unseren Hunden von anderen Verhaltensweisen zu unterscheiden, helfen die fünf Kriterien des Professors für Ökologie und Evolutionäre Biologie an der University of Chicago Dr.Gordon Burghardt (2015: Integrative Approaches to the Biological Study of Play. In: Johnson, J. et al. (Eds): The Handbook of the Study of Play Vol 1. Lanham: Rowman & Littlefield, S.19-40).

 

  1. Hunde spielen freiwillig, sie erwarten und suchen keine Belohnung, da Spiel selbstbelohnend ist und Spaß macht.
  2. Spiel braucht ein entspanntes Umfeld, d.h. nur wenn die wichtigsten Grundbedürfnisse des Hundes befriedigt sind, können sich Hunde auf das Spiel mit uns und Artgenossen einlassen.
  3. Während des Spiels werden verschiedene Verhaltensweisen immer wieder in neuen Variationen wiederholt gezeigt.
  4. Verhalten im Spiel sieht anders aus, als im echten Leben, es wirkt realitätsfern und unterscheidet sich vom Ernstverhalten.
  5. Hunde spielen um des Spielen willens, sie verfolgen keine anderen Ziele damit. 

Ergänzt werden diese Kriterien noch durch folgende Aspekte: Spielsignale (Spielgesicht und Spielverbeugung), Rollenwechsel und Selbsthandikap. Besonders im Sozialspiel zwischen Hund und Mensch sind diese Punkte die Voraussetzung für ein gemeinsames Erlebnis auf Augenhöhe.

 

Daher hat das allseits bei Hundehaltern beliebte Ballwerfen leider nichts mit echtem Spielverhalten zu tun. Vielmehr handelt es hierbei um eine Beschäftigungsform, die aus dem Bereich des Beutefangverhaltens stammt. Aber schauen wir uns diese Beschäftigung zwischen Mensch und Hund doch einmal genauer an und prüfen sie anhand der oben genannten Kriterien für echtes Spielverhalten.


Da der Hund den geworfenen Ball o.ä. zum Mensch zurückbringen soll, ist diese Handlung zielgerichtet und wird stereotyp immer gleich ausgeführt. Die variable Vielfalt von Verhaltensweisen, die immer neu kombiniert werden ist nicht Teil des Ballwerfens. Der Hund zeigt keine übertriebenen Bewegungen, vielmehr sieht man die jagdliche Anspannung in jedem Muskel des Hundekörpers. Auch die so wichtigen Spielsignale wie das Spielgesicht oder die Spielverbeugung fehlen völlig. Da auch immer nur der Mensch den Gegenstand wirft und der Hund diesen zurückbringen soll, ist kein Rollenwechsel vorhanden. Vom Selbsthandikap ganz zu Schweigen. Daher darf diese Beschäftigung nicht mit einem echten Sozialspiel verwechselt werden. Der Mensch muss sich bewusst sein, dass er beim Ballwerfen nicht mit seinem Hund spielt, sondern diesen beschäftigt. Hunde zu beschäftigen ist sehr sinnvoll, da die meisten Probleme im Zusammenleben von Mensch und Hund durch eine mangelnde Beschäftigung bedingt sind.


Jedoch wird das natürliche Bedürfnis des Hundes nach Spiel durch das stumpfe Ballwerfen nicht befriedigt und die positiven Effekte des Spiels im Zusammenleben mit dem eigenen Vierbeiner ungenutzt gelassen. Denn Spiel ist multifunktional, es stärkt nicht nur die körperliche Ausdauer und Widerstandskraft, sondern fördert die Kreativität und Sozialkompetenz des Hundes. Besonders im Sozialspiel können die Selbstregulierung, die Kommunikationskompetenz, die Konfliktfähigkeit, die Empathie sowie die Kooperationsfähigkeit geschult werden.


Daher runter vom Sofa und raus in den Park, mit dem Hund spielen.


Im nächsten Beitrag schauen wir uns dann genauer an, was Mensch und Hund so alles spielen können.