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Maulkorb - ja!/nein!/vielleicht?!?!

„Maulkorb“ – immer wieder ein brisantes Thema. Da erwähnt man das Wort gegenüber einem Hundehalter und ganz schnell können heiße Diskussionen entfachen.

Aber wieso ist das eigentlich so?

Sieht man auf der Straße einen angeleinten Hund mit Maulkorb auf dem Spaziergang, so kommen ganz schnell Vorurteile auf.

Handelt es sich bei diesem Hund um einen so genannten Listenhund? Muss der Hund aufgrund seiner Rasseherkunft einen Maulkorb tragen? Oder gab es vielleicht besondere Vorkommnisse, wodurch Hund und Halter die Auflage, Maulkorbpflicht erfüllen müssen? Hat der Hund vielleicht einen anderen Hund, oder sogar einen Menschen gebissen und muss deshalb den Korb tragen, sobald er das Haus verlässt?

Ein Maulkorb löst bei vielen Hunde- und Nichthundehaltern zunächst ein ungutes Gefühl aus.

Die Gedanken befassen sich mit blutrünstigen Geschichten um die Vorgeschichte des Hundes, oder der Hund wird in eine Schublade gesteckt und auch ohne ausmalende Geschichten verurteilt und die Straßenseite besser vorsorglich gewechselt.

Die Halter Maulkorbtragender Hunde sollten ein dickes Fell haben, um Fragen zum Hund, wenn es denn überhaupt dazu kommt, entspannt beantworten zu können, oder damit leben zu können, dass das Umfeld gerne vorsorglich die Straßenseite wechselt.

 

Aber welche Hunde müssen denn nun wirklich einen Maulkorb tragen?

Und ist dies wirklich etwas Verwerfliches? Ist das Tragen eines Maulkorbes unangenehm für den Hund? Fühlt sich dieser dadurch beeinträchtigt?

Das Tragen eines Maulkorbes kann unterschiedlichste Gründe haben.

Es gibt tatsächlich festgelegte Rasselisten (diese variieren von Bundesland zu Bundesland), welche Hunderassen aufführen, die, ohne Befreiung durch einen Wesenstest, ab einem bestimmten Alter einen Maulkorb tragen müssen.

Ob der betroffene Hund den Wesenstest noch nicht absolviert hat, sich einfach nur im „falschen Bundesland“ aufhält, oder, ob ggf. wirklich eine Gefährdung vorliegt, verrät uns weder die Rasse, noch der angezogene Maulkorb. Vielleicht macht der Besitzer eines Rottweilers aus Baden-Württemberg gerade nur einen Spaziergang in Hessen.

Hier darf deshalb weiter fleißig geraten werden.

Aber welche Hunde müssen noch einen Maulkorb tragen?

Die, bei denen es notwendig ist! Ja, es gibt Hunde, deren Vorgeschichte dazu beigetragen hat, dass sie besser, auch ohne Auflagen, vorsorglich einen Maulkorb tragen sollten.

Hierzu gehören aber nicht nur die Hunde, die per se einfach mal andere Hunde „kalt machen wollen“, sondern beispielsweise auch Hunde, die bereits in jungem Alter unschöne Erlebnisse mit fremden Hunden hatten. Je nach Typ Hund kann hier ein einziges Erlebnis dazu führen, dass dieser, durch eine Attacke eines anderen Hundes, traumatisiert wurde und gelernt hat, sich nun vorsorglich Artgenossen besser vom Leib zu halten, indem er nach vorne geht und zubeißt.

Auch wenn der betroffene Hund bereits einen guten Trainingsstand besitzt und dem Menschen nicht von der Seite weicht, sollte der pflichtbewusste Hundehalter auch daran denken, dass man draußen nicht nur auf gut rückrufbare Hunde trifft, sondern eben auch auf die, die man (noch) nicht rechtzeitig abschirmen kann und die Kontakt zum eigenen Hund aufnehmen.

In diesem Fall sollte dem Halter eher Anerkennung ausgesprochen werden, dass er andere Hunde schützt – leider ist dies nicht unbedingt selbstverständlich.

 


 

Neben dem oben beschriebenen Beispiel gibt es aber auch zweifelsohne Hunde, bei denen nicht nachvollziehbar ist, welche Geschehnisse vorgefallen sind, ob es sich hierbei unbedingt um traumatische Erlebnisse handelt, die aber dennoch in bestimmten Situationen Menschen und/oder Hunde beißen würden und deshalb vorerst (oder auch längerfristig) einen Maulkorb tragen müssen.

Um es zu ergänzen: Ein solcher Hund muss nicht zwangsläufig ein Secondhand-Hund sein, nein: Auch aus dem eigens großgezogenen Welpen kann sich ein Hund entwickeln, der Menschen und /oder Hunde durch Beißen gefährden kann.

Und hier ist natürlich klar: Dieser Hund MUSS einen Maulkorb tragen.

Wer selbst einmal einen solchen Hund sein Eigen nennen durfte, oder einen solchen Hund getroffen hat, der wird selbst die Erfahrung gesammelt haben, dass es für den Mensch eine absolute Erleichterung sein kann, wenn man weiß, dass vom eigenen Hund auch in angespannten Situationen keine ernsthafte Gefahr ausgehen kann.

Auch und gerade für uns Trainer, ist der Maulkorb bei einem solchen Hund, zunächst das Hilfsmittel der Wahl. Trägt der Hund einen Maulkorb, so besteht die Möglichkeit, kontrolliert die Situationen zu trainieren, in welchen der Hund zum aktuellen Stand noch nicht gelernt hat, sich adäquat zu verhalten. Hierbei ist zum einen die Sicherheit für Mensch und Hund gewährleistet, aber noch viel mehr: Mit Maulkorb ist eine ernsthafte Beschädigung des Gegenübers nicht möglich, sodass hierdurch die Möglichkeit besteht, mit dem Hund zu trainieren, dass Aggression nicht die gewünschte Wirkung zeigt. Hat der Hund erst einmal gelernt, das Gegenüber durch Beißen auf Abstand zu halten, können mit Hilfe des Einsatzes eines Maulkorbes neue Wege aufgezeigt werden.

Unabhängig von gezieltem Training ist aber eines klar: Hunde, die dieser Beschreibung angehören, MÜSSEN einen Maulkorb tragen, denn: Kein Mensch oder Hund sollte Gefahr laufen, von einem Hund gebissen zu werden, bei welchem bekannt ist, dass er im Alltag mit Situationen konfrontiert wird,  in welchen es schnell dazu kommen könnte.

 

Aber welche Hunde tragen denn eigentlich noch Maulkörbe? Und in welchen Situationen macht das Tragen eines Maulkorbes Sinn?

 

Ein weiteres großes Stichwort zum Thema Maulkorb ist: Tierarztbesuch!

Der Besuch beim Tierarzt bedeutet für viele Hunde eine stressige Ausnahmesituation.

Bereits im Wartezimmer trifft der Hund auf gestresste Artgenossen. Nach der angespannten Wartezeit wird dann im Behandlungsraum vom Hund abverlangt, dass er auf einem glatten Tisch ruhig stehen bleibt und abgetastet bzw. behandelt wird.

Handelt es sich auch noch um einen Tierarztbesuch mit akutem Anliegen, sind die oben genannten Schritte im schlimmsten Fall mit Schmerzen beim Hund verbunden – und wer nur selbst einmal kurz daran denkt, was man tun möchte, wenn der Zahnarzt beim Bohren einen Nerv erwischt…..

Der kann sich vielleicht ein wenig in die Lage seines Hundes versetzen.

Und hier sind wir wieder beim Thema: Natürlich ist in einigen Situationen nachvollziehbar, weshalb ein Hund herumfahren und beißen kann, aber: Ganz klar ist auch, dass der Schutz der Unversehrtheit des Menschen (Tierarzt, Tierarzthelfer und Besitzer) im Vordergrund stehen muss.

Wer mit seinem Welpen bereits die Besuche beim Tierarzt trainiert, vor allem auch einmal zum jährlichen Check Up dort vorbeischaut und mit dem Hund das Betasten und ruhige Stehen im Alltag trainiert, der hat natürlich die besten Voraussetzungen dafür, dass der Hund beim Tierarzt voraussichtlich nicht in die Situation kommen wird, einen Maulkorb tragen zu müssen, aber: Ausnahmen bestätigen die Regel. Ein besonders heftiger Schmerz, ein fremder Tierarzt, ein fremder Ort und schnell kann das Tragen eines Maulkorbes notwendig sein, auch, wenn der eigene Hund normalerweise noch so lieb ist.

 


 

Weitere Gründe für das Tragen eines Maulkorbes sind schlicht und einfach: Es gibt an unterschiedlichen Orten die Vorgabe, dass der Hund einen Maulkorb tragen muss.

Aber wo ist das so? Wo muss das so sein?

Ein banales Beispiel, wovon viele Hundehalter gar nicht wissen: Das Mitführen eines Hundes bei der Deutschen Bahn, hat mit Maulkorb zu erfolgen.

Ihr fahrt regelmäßig Zug und wusstet nichts davon? Glück gehabt.

Ohne Maulkorb kann es durchaus passieren, dass ihr vom Schaffner aufgefordert werdet, am nächsten Halt mit Eurem Hund den Zug zu verlassen.

Aber nicht nur bei der Deutschen Bahn ist das Befördern des Hundes nur mit Maulkorb zulässig.

Viele Gondelbetreiber schreiben ebenfalls das Tragen eines Maulkorbes vor.

Bei Reisen im Ausland ist häufig das Mitführen eines Maulkorbes Pflicht, sodass dieser auf Aufforderung dann auch umgehend dem Hund aufgesetzt werden kann.

Wer also mit seinem Hund flexibel unterwegs sein möchte, ggf. auch einmal über Städtereisen nachdenkt, sollte sich spätestens jetzt mit dem Thema Maulkorb auseinander setzen.

Spätestens an dieser Stelle wird klar, dass durchaus auch Hunde einen Maulkorb tragen, die weder einer gelisteten Rasse angehören, noch akute Beißgefahr von diesen ausgehen.

Und genau deshalb sollte ein Umdenken stattfinden!

 

Wir trainieren mit unseren Hunden Grundsignale: „Sitz“, „Platz“, „Bleib“, „Hier“, bringen den Hunden Tricks bei, wie Pfote geben, Küsschen, Rolle und vieles mehr.

Ebenso ist es für uns völlig normal, den Welpen, oder auch den Hund von der Straße, an das Tragen eines Halsbandes und/oder eines Geschirrs zu gewöhnen….

Wir zeigen ihm die Stadt, gehen in den Tierpark, gewöhnen ihn an Menschenansammlungen und vieles mehr.

Das alles ist für uns selbstverständlich, denn nur so ist für uns ein Zusammenleben mit Hund im städtischen als auch ländlichen Raum überhaupt möglich und sei es nur, weil häufig Innerorts Leinenpflicht besteht.

 

Aber: Einen Maulkorb lernt unser Hund nicht kennen – außer: Eine Situation erfordert es!

 

Meist handelt es sich dann allerdings um eine Ausnahmesituation: Zugfahrt, Tierarztbesuch unter Schmerzen (oder im schlimmsten Fall sogar ohne Besitzer…beispielsweise bei der Erstversorgung nach einem Autounfall), Urlaub im Unbekannten mit Gondelfahrt (meist ebenfalls unbekannt), Ausflug in die Großstadt, U-Bahn, um nur einige Situationen zu benennen.

 

Und nun denken wir einmal weiter und stellen uns unseren Hund vor, in einer Situation, die ihn sowieso bereits fordert, ggf. überfordert, die verarbeitet werden muss…. Und dann ein Mensch, sein Mensch, der seinem Hund einen Maulkorb aufzieht…ein Fremdkörper, der sicherlich nicht zu einer Entspannung der Gesamtsituation beitragen wird. Leider können wir unserem Hund mit Worten nicht erklären, dass er den Maulkorb nur kurz tragen muss, ihm nichts passiert, er entspannt sein kann….

 

Ein Hund, der das Tragen eines Maulkorbes richtig gelernt hat, wird mit angezogenem Maulkorb so entspannt sein, wie mit dem Halsband, das er gelernt hat zu tragen – Kurz: Kennt der Hund den Maulkorb und hat in kleinen Schritten gelernt, diesen zu tragen, so wird er sich damit ganz normal verhalten – ganz so, als hätte er keinen Maulkorb an.

 

Aber wie gewöhne ich meinen Hund an das Tragen eines Maulkorbes?

Zunächst einmal ist es wichtig, einen passenden Maulkorb für den Hund zu finden.

Das Angebot ist mittlerweile sehr vielfältig. Es gibt Maulkörbe aus Kunststoff, Metall, Leder und auch aus Biothane.

Wichtig ist: Der Maulkorb muss passen. Er darf dem Hund nicht in die Augen rutschen, darf nicht zu groß sein, dass er vom Hund abgestreift werden kann, sollte aber so eng anliegen, dass er bei Bewegungen des Hundes nicht rutscht.

Wichtig ist auch, dass der Maulkorb nicht zu eng anliegt und der Hund gut damit hecheln kann.

 

Um den Hund an das Tragen des Maulkorbes zu gewöhnen, ist es sinnvoll, wenn die Öffnungen des Maulkorbes so beschaffen sind, dass die Aufnahme von Futter hierdurch möglich ist.

Natürlich darf die eigentliche Funktion des Maulkorbes nicht darunter leiden.

 

Wollt Ihr Euren Hund nun an einen Maulkorb gewöhnen und habt einen solchen angeschafft, so zeigt Eurem Hund diesen zunächst. Er darf sich gerne damit befassen und daran schnuppern.

Im nächsten Schritt füttert Ihr nun Euren Hund durch den Maulkorb.

Hierzu führt Ihr zunächst das Futter durch die vordere Öffnung des Maulkorbes und gebt Eurem Hund die Freigabe, sich dieses zu holen.

Ideal ist es, wenn Euer Hund eigenständig die Nase in den Maulkorb steckt.

Hat der Hund Vertrauen in die Übung gefasst, verlängert ihr die Zeiten des Fütterns durch die Gitter.

Wenn Ihr Euren Hund einige Zeit durch die Öffnung des Maulkorbes füttern könnt, fangt ihr an, nach und nach kleine Pausen zwischen den einzelnen Futterbrocken einzuführen.

Euer Hund muss also immer kurz, ohne Futter zu kauen, mit der Nase im Korb verharren, bis er einen neuen Futterbrocken bekommt. Wichtig ist, die Zeitabstände zwischen den einzelnen Futtergaben zunächst so kurz zu wählen, dass Euer Hund gar nicht erst darüber nachdenkt, eigenständig die Nase wieder aus dem Maulkorb zu ziehen.

Zunächst beginnt ihr mit kleinen Futterpausen und verlängert diese nach und nach, bis Euer Hund bereits eine ganze Weile entspannt mit dem Maul im Korb verharrt, bis er das Futter bekommt.

Habt ihr diesen Schritt geschafft, könnt ihr zunächst den Verschluss des Maulkorbes einmal hinter den Ohren des Hundes zuhalten. Möglicherweise fühlt sich das zunächst komisch für Euren Hund an – mit einer langsamen Gewöhnung und in Futtererwartung, sollte aber auch dieser Schritt kein Thema sein. Hat sich Euer Hund daran gewöhnt, dass die Laschen des Maulkorbes hinter seinen Ohren verlaufen und auch dort festgehalten werden, könnt ihr die Schnalle schließen.

Der Maulkorb sitzt und die Schnalle ist verschlossen? Dann geht es auf zum nächsten Schritt: Lasst Euren Hund kleine Aufgaben machen. Sitzen, Pfote geben, evtl. ein paar Schritte „Fuß“ laufen.

Es ist wichtig, dass Euer Hund nun nicht sich selbst überlassen wird, sondern etwas zu tun hat, damit er sich nicht vorrangig um den Maulkorb kümmert. Er soll lernen, dass auch und gerade mit Maulkorb spannende Aufgaben gemeinsam mit Euch auf ihn warten.

Nun steigert ihr auch hierbei die Tragezeit in kleinen Schritten.

Habt ihr es geschafft, dass Euer Hund bei der gemeinsamen Beschäftigung mit Euch den Maulkorb bereits einige Zeit trägt, dann geht ihr nun dazu über, das Tragen des Maulkorbes nun auch in den Alltag zu integrieren.

Übt das Tragen des Maulkorbes auf dem Spaziergang, aber durchaus auch Zuhause, beispielsweise dann, wenn ihr mit Eurem Hund kuscheln wollt.

Das ideale Ergebnis ist dann erreicht, wenn Euer Hund Zuhause, als auch unterwegs, den Maulkorb als ganz verständlich ansieht und diesen trägt, ohne ihn abstreifen zu wollen.

Mit regelmäßigem  Training ist eine gute Maulkorbgewöhnung in einer Zeit von zwei bis vier Wochen realistisch und umsetzbar.

 

Ihr findet das immer noch komisch? Zu Recht! Wer wie ich keine Brille trägt, für den ist sogar das Tragen einer Sonnenbrille von Zeit zu Zeit seltsam und störend – Brillenträger hingegen, werden die meiste Zeit kaum spüren, dass Sie eine Brille tragen – sie haben sich daran gewöhnt – und sind deshalb sicherlich nicht eingeschränkter, als Nichtbrillenträger (Ausnahmesituationen ausgelassen J).

 


 

Und noch ein kleiner Einwand: Extra einen Maulkorb anschaffen und trainieren, wenn man ihn dann vielleicht nur einmal im Jahr, oder eventuell nur als Gepäck benötigt?

Je nach Ausführung des Maulkorbes genügt es, auf ein neues Halsband oder/und eine neue Leine für den Hund zu verzichten J Und: Welcher Hundehalter ist denn nicht immer wieder auf der Suche, nach neuen Trainingsideen bei schlechtem Wetter fürs Wohnzimmer?

 

Also, macht Euch einmal Gedanken und überlegt Euch, ob Euer Hund einen Maulkorb kennenlernen soll – und falls ihr Euch dafür entscheidet - natürlich positiv verknüpft!