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Stachelhalsband - unerlässliches Hilfsmittel? Oder doch eher mittelalterliches Folterinstrument?

Am 25.06.2021 hat der Bundesrat die Verordnung zur Veränderung der Tierschutz-Hundeverordnung beschlossen. Unter anderem wird darin festgelegt, dass sowohl bei der Ausbildung als auch bei der Erziehung sowie beim Training von Hunden die Verwendung von Stachelhalsbändern oder anderen, für die Hunde schmerzhaften Mitteln verboten ist.

Dies hat in vielen Bereichen der Hundeausbildung zu freudiger Zustimmung geführt, doch nicht überall konnte man begeisterte Reaktionen auf die Verordnung feststellen. So wird der Einsatz von Stachelhalsbändern z. B. von einigen Schutz- und Jagdhundeausbildern auch heute noch als zwingend notwendig empfunden. Wir haben mit Martin Döhler von Martin Rütter DOGS Ulm gesprochen, wie der Einsatz solcher Hilfsmittel zu bewerten ist.


Stachelhalsbänder sollen laut Aussage der Befürworter den Hund nicht verletzen, sondern „nur“ am Hals quetschen. Aus diesem Grund sind die Stacheln oftmals auch mit einem Kunststoffüberzug am Ende versehen. Gibt es wirklich einen Unterschied in Bezug auf die unterschiedlichen Ausführungen?

Stachelhalsbänder mit ungeschützten, oder wie es im Extremfall durchaus auch gemacht wurde, sogar angespitzten Stacheln, die zu offenen Verletzungen führen, sind ohne Frage tierschutzrelevant. Quetschungen im Halsbereich können aber auch zu starken Verletzungen führen, wie z. B. zu Blutergüssen oder zu gravierenden Quetschungen der Luftröhre oder des Kehlkopfes. Daher sind alle Stachelhalsbänder ungeeignet für den Einsatz am Hund, egal ob mit oder ohne Noppen an den Stacheln. Das gilt natürlich auch für verdeckte Stachelhalsbänder, wie das Oberländer Halsband, bei welchem die Stacheln unter einem Lederhalsband versteckt und damit von außen nicht sichtbar sind.


Viele Menschen nutzen als Halsband ein Kettenhalsband, das auch häufig als „Gesundheitswürger“ bezeichnet wird. Ist ein solches Halsband denn genauso wie das Stachelhalsband abzulehnen?

Die Bezeichnung ist wirklich widersinnig. Geworben wird hier oftmals damit, dass diese Halsbänder „besonders große Kettenglieder haben“ und damit „besonders schonend für den Hals“ seien. Es stimmt zwar, dass ein Halsband mit kleinen Kettengliedern stärker einschneidet und den Hund mehr würgt, wenn er zieht, aber dennoch kann jedes Halsband aus Metall den Hund verletzen, wenn Zug auf die Leine kommt. Dabei muss der Mensch nicht einmal aktiv an der Leine einwirken. Ein Sprung zur Seite, weil der Hund sich erschreckt oder einem jagdlichen Impuls nachgeht, ein Stolpern des Menschen oder eine kurze Unachtsamkeit von Hund oder Mensch führen schnell dazu, dass sich die Leine spannt.

Wer meint, ein Kettenhalsband wäre für den Hund „gesund“ und nicht unangenehm, soll dies selbst einmal ausprobieren. Bereits ein leichter Zug führt zu starken Schmerzen.


Darf man Hunde denn dann überhaupt mit Halsband führen oder sollte man besser immer ein Geschirr verwenden?

Hunde sind, wie wir Menschen auch, besonders empfindlich im Hals/Nackenbereich. Hier sitzen Luft- und Speiseröhre und der Kehlkopf sowie die Halswirbelsäule und das Genick. Hunde, die nicht gelernt haben an lockerer Leine zu laufen, sollten daher immer am Geschirr geführt werden.

Läuft ein Hund sehr gut an der Leine und trägt ein Halsband sollte dieses dennoch eventuelle Rucke möglichst abfangen. Daher sollte es möglichst breit (Nasenspiegelbreite) und mit einem Polster unterlegt (Leder, Neopren) sein.

Wie bringt man einem Hund denn die Leinenführigkeit bei? In vielen Fällen wird ja immer noch mit einem harschen Kommando „Fuß“ an der Leine geruckt, wenn der Hund zieht

Eine Korrektur des Hundes macht, wenn überhaupt, erst dann Sinn, wenn der Hund verstanden hat, was der Mensch von ihm erwartet. Solange der Hund also immer an der Leine zieht, braucht man das Signal „Fuß“ nicht verwenden, um ihn zu korrigieren.

An der lockeren Leine laufen lernt der Hund genauso wie jedes andere Signal: In winzig kleinen Schritten - hier also wirklich erst einmal nur ein einziger Schritt an lockerer Leine - mit Belohnung verstärkt und in kleinen Schritten gesteigert. Später wird das Signal „Fuß“ gelernt, wenn der Hund die Verknüpfung überhaupt herstellen kann.

Häufig werden die Menschen bei der Leinenführigkeit zu ungeduldig. Nur, weil der Hund 10 Schritte an lockerer Leine laufen kann, heißt das nicht, dass er den Menschen nun eine Stunde entspannt durch den Park begleitet.

Während des Trainings kann man die Kombination Halsband und Geschirr nutzen: Hat man Zeit zu trainieren und ist die Ablenkung nicht zu groß, wird die Leine im Halsband eingehakt. Wird der Hund am Geschirr geführt, darf er in moderatem Maße ziehen.

Was mache ich denn nun aber, wenn mein Hund stark zieht, ich aber, eventuell auch nur vorübergehend, nicht in der Lage bin, meinen Hund zu halten. So schnell lernt ein Hund ja nicht, an lockerer Leine zu laufen… 

Es gibt immer Kombinationen oder Situationen, in denen das Führen des Hundes für den Menschen gefährlich werden kann. Sei es, weil der Hund mehr Kilogramm auf die Waage bringt als sein Mensch oder aber weil der Mensch körperlich eingeschränkt oder verletzt ist. Ebenso können eisige oder rutschige Untergründe für alle Beteiligten zur Gefahr werden, wenn der Hund zieht.

In dem Fall kann ein Ausbildungsgeschirr, wie z. B. das im Martin Rütter Shop erhältliche „Guide“, genutzt werden. Dieses begrenzt den Hund in der Schulter, sodass er nicht seine ganze Kraft einsetzen kann. Da der Hund jedoch in der Bewegung der Vorderbeine eingeschränkt wird, sollte auch dieses Hilfsmittel nicht dauerhaft eingesetzt werden, sondern nur, bis der Mensch den Hund wieder halten kann oder der Hund gelernt hat, an lockerer Leine zu laufen.

Doch wie ist das nun mit „Leistungs- und Arbeitshunden“? Hunde im Schutzdienst werden genauso wie z. B. Jagdhunde ja immer noch mit Strafe, und insbesondere eben mit dem Stachelhalsband ausgebildet. Ist das wirklich notwendig? 

Begründet wird das damit, dass der Hund im Einsatz einer starken Belastung standhalten muss. Es ist zwar richtig, dass sich ein Jagdhund nicht von Dornen und anderen Widrigkeiten abhalten lassen darf, seinen „Job“ zu erledigen. Es geht ja darum, das Wild so schnell wie möglich zum Jäger (oder diesen zum Wild) zu bringen, damit das Wild nicht unnötig leiden muss. Die dazu notwendige Härte ist jedoch nicht durch eine besonders harte Ausbildung erreichbar.

Als weiterer Grund wird häufig die starke jagdliche Motivation angeführt. Der Jagdhund muss lernen, seine Impulse zu kontrollieren. Er darf nur dann jagen, wenn der Mensch ihm das Signal dazu gibt. Impulskontrolle kann jeder Hund lernen, in kleinen Schritten positiv verstärkt. Dazu ist keine Gewalt, kein Training mit Schmerzen notwendig. Es bedeutet jedoch, dass man sich Zeit für das Training mit dem Hund nehmen muss und die Trainingsschritte individuell auf den Stand und das Lernen des Hundes anpassen muss.

Der Jagdhund muss zudem lernen, die Beute dem Menschen abzugeben. Hier wird oft angeführt, dass der Hund sich dazu dem Menschen unterordnen muss. Solche diktatorischen Modelle sind jedoch vollkommen veraltet. Mensch und Hund leben in einer familiären Beziehung, in welcher der Mensch dem Hund gegenüber die Rolle des fürsorglichen Elternteils übernimmt. Dazu gehört, dem Hund Sicherheit zu geben, damit er sich vertrauensvoll orientiert. Auch das Abgeben der Beute wird dann, in kleinen Schritten positiv verstärkt, vom Jagdhund unproblematisch erlernt.

Dein Fazit?

Sowohl Stachelhalsbänder als auch Kettenhalsbänder haben in der Hundeerziehung nichts verloren! Wer meint, dass er ein solches „Folterinstrument“ braucht, um Hunde zu erziehen, hat bisher noch nicht viel von Lernverhalten, Trainingsaufbau und der Beziehung zwischen Mensch und Hund verstanden!



Ein paar Worte zu Deiner Hundeschule:

Es macht mich immer wieder glücklich zu sehen, wie sich die Mensch-Hund Beziehung über Jahre entwickelt, wie das gegenseitige Vertrauen wächst und sich beide aufeinander einspielen. Mit Geduld, Respekt und Liebe in der Arbeit ist so viel möglich. Es ist aber wichtig zu akzeptieren, dass den Entwicklungsschritten temporär Grenzen gesetzt sind und der 10 Monate alte Junghund noch nicht der entspannte Begleiter sein kann, den er Jahre später darstellen wird. Und genau dafür sind wir da: Mit Herz und Hundeverstand anzuleiten und viel an Wissen zu Bedürfnissen, Ausdrucksverhalten und Entwicklung von Hunden zu vermitteln.

Persönlich kann ich dank der günstigen Infrastruktur in Ulm viel im jeweiligen häuslichen Umfeld beraten. Darüber hinaus trainieren wir auf zwei schönen Plätzen in Ulm und Illertissen und haben natürlich auch die Leinenführigkeit im Programm.

Leinenführigkeit Kurs - Martin Rütter DOGS Ulm/Neu-Ulm (martinruetter.com/ulm-neu-ulm/)