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Strassenhunde

Wenn man das Wort „Straßenhunde“ hört, denkt man fast automatisch an abgemagerte, kranke Tiere, die auf den Straßen u. a. südeuropäischer Länder auf die Hilfe netter Touristen angewiesen sind. Und auch hierzulande nehmen ehemalige Straßenhunde einen in den letzten Jahren stark anwachsenden Teil der Hundepopulation ein.

Sie hatten das Glück, aus dem „Elend“ gerettet worden zu sein, und können in Deutschland in eine bessere Zukunft blicken. Und häufig ist dies tatsächlich so! Allerdings – nicht immer ist der Import dieser Tiere in andere Länder eine gute Lösung – weder für die Hunde noch für die zukünftigen Hundehalter!

In unserer Hundeschule für Menschen werden wir immer häufiger mit Hunden aus u. a. Spanien, Griechenland, Polen oder Bulgarien konfrontiert, die weder glücklich noch dankbar für ihre Rettung zu sein scheinen. Im Gegenteil: Oft handelt es sich um verängstigte Hunde, die massive Probleme mit ihrem Umfeld haben. Kein Wunder, denn nicht alle der so genannten Straßenhunde sind in einer belebten Stadt mit Menschenkontakt aufgewachsen. Einige streunten ihr Leben lang auf verlassenen Straßen und Feldern und kennen Menschen höchstens aus weiter Entfernung. Motorengeräusche oder für uns gewohnte Geräuschkulissen einer Stadt sind ihnen fremd. Wenn ausgerechnet diese Tiere jetzt aber eingefangen, in eine kleine Transportbox gesperrt und nach Mitteleuropa verfrachtet werden, weil sie dort in einem städtischen Umfeld mit Menschen ein besseres Leben führen sollen, wird dieses Ziel weit verfehlt! Die Ängste und Unsicherheiten, die diese Tiere entwickeln, sind vollkommen verständlich! Manchen gelingt es, sich relativ zügig an die neue Umgebung anzupassen. Einige behalten ein Leben lang eine gewisse Skepsis vor Menschen, lauten Geräuschen oder Ähnlichem. Und wieder andere zeigen starke Stresssymptome, die kaum oder nur sehr schwer zu therapieren sind. Vor allem bei diesen stellt sich dann die Frage, ob ein Import nach Deutschland wirklich die bessere Alternative zu ihrem bisherigen Leben war.

Was das Zusammenleben mit dem Menschen so stark erschwert, ist zunächst die fehlende Prägung und Sozialisierung auf uns Zweibeiner. Und was man nicht kennt, das macht einem i. d. R. erst mal Angst. Das ist bei uns Menschen auch nicht anders. Es kommt noch hinzu, dass wir aus Hundesicht extrem grob kommunizieren. Hunde, die uns ganz früh kennen lernen, wissen damit umzugehen. Ein Hund aber, der nie gelernt hat, dass Menschen meistens keine bösen Absichten verfolgen, wenn sie sich beispielsweise stark über Hunde beugen (was aus Hundesicht eine starke Bedrohung darstellt), geraten in Angst oder Panik. Aus ihrem bisherigen Leben unter Hunden sind sie es gewohnt, fein zu kommunizieren und schon kleinste Gesten wahrzunehmen. Ein weiterer Aspekt betrifft die Hunde, mit denen der importierte Vierbeiner in seinem Ursprungsland zusammenlebte. Häufig handelt es sich um gut funktionierende Rudel mit einer klaren Hierarchie und Aufgabenverteilung. Während ein Teil für den Schutz des Rudels und die Warnung vor Gefahren zuständig ist, bewähren

sich andere durch ihre hervorragenden Jagdstrategien. Wird nun aus einem Rudel, das nur aus wenigen Tieren besteht, ausgerechnet der beste Jäger entfernt, kann das schwerwiegende Folgen für das gesamte Rudel haben. Tierschützer, die vor Ort dafür kämpfen, unter den Einwohnern ein Verständnis bzw. Bewusstsein für die dort ansässigen Straßenhunde zu schaffen, verdienen meiner Meinung nach den größten Respekt. Mit ihrem Engagement tragen sie dazu bei, die Lebensbedingungen von Straßenhunden weltweit zu verbessern und damit vor Ort große Hilfe zu leisten. Gerade für die nicht auf Menschen sozialisierten Hunde ist diese Form der Hilfe viel wert.

Zum Glück landen hier aber auch Hunde, die mit der neuen Umgebung und mit Menschen keine oder kaum Probleme haben. Manchmal haben aber die Menschen Probleme, weil es sich um sehr selbstständige Tiere handelt. Bisher hat den Vierbeinern kein Mensch gesagt, was sie zu tun oder zu lassen haben. Die Hunde handelten eigenverantwortlich, verschafften sich ihr Futter selbst und trafen auch sonst alle Entscheidungen alleine. Beim Zusammenleben mit Menschen in einem Haushalt müssen aber notgedrungen ein paar Regeln eingehalten werden, was eine starke Umstellung für den Hund bedeuten kann. Häufig wird der Mensch mit Ignoranz gestraft, und der eine oder andere kann nicht immer darüber lachen, dass sein Hund ihm mal wieder gezeigt hat, dass er auch prima ohne ihn auskommt. Beliebt ist vor allem das Ausräumen des Mülleimers, auch wenn er noch so gut verschlossen war. Bisher war es für den Hund lebenswichtig, an den Inhalt verschlossener Tonnen zu kommen. Das wird er nicht von heute auf morgen ablegen.

Möchte man einen Straßenhund bei sich aufnehmen, sollte man sich mit dem Gedanken anfreunden, dass es sich um einen selbstständigen und ignoranten Hund handeln kann, der nicht unbedingt mit seinem Menschen kooperieren möchte. Vorher sollte man deshalb möglichst genaue Informationen darüber einholen, wie der Hund bisher gelebt hat, welche Erfahrungen er wohl gemacht, was er kennen gelernt bzw. vermutlich nicht kennen gelernt hat. Auch sollte die Bereitschaft bestehen, sich mit der Körpersprache der Hunde auseinander zu setzen, um zu einer besseren Kommunikation und zu einem größeren gegenseitigen Verständnis beizutragen, was den Alltag nur verbessern kann.