Hundesprache lesen lernen

Ein Artikel unserer DOGS Partnerin Valérie Pöter (Martin Rütter DOGS Oldenburg) für die Zeitschrift "Mein Hund und Ich"

Unsere Vierbeiner verfügen über ein ganzes Repertoire an Gesten und Verhaltensweisen, mittels derer sie sich mit uns verständigen. Je genauer wir ihre Körpersprache deuten können, umso besser klappt auch die Kommunikation im Alltag. Valérie Pöter „übersetzt“ die wichtigsten Signale

Wir Menschen haben den Vorteil, dass wir auf eine digitale Kommunikation zurückgreifen können. Wir haben eine Sprache mit Wörtern entwickelt, die Begriffe definieren und vereinheitlichen kann. Der Hund verfügt dagegen ausschließlich über eine analoge Form der Kommunikation, hierzu zählen Mimik, Gestik, Laute und die Körpersprache. Wollen wir Missverständnissen in der Kommunikation mit unserem Hund vorbeugen, müssen wir unsere Sinne schulen und uns auf die Körpersprache unserer Hunde fokussieren. Hierzu eine kleine Geschichte.

SCHARREN

Will er mich damit ärgern?

Rony ist ein kleiner Zwergpinscher. Er ist zwei Jahre alt, nicht kastriert und voller Tatendrang. Sein Frauchen Renate hat mich zu einem gemeinsamen Spaziergang durch den Stadtwald eingeladen. Während wir den Waldweg entlang schlendern, ist Rony mit Schnüffeln beschäftigt und lässt sich zurückfallen. Renate bleibt stehen und wartet darauf, dass er zu uns aufschließt. Seine Rute ist über die Rückenlinie erhoben, er hebt sein Bein und sein Blick ist auf uns gerichtet. „Jetzt macht er das gleich wieder!“, berichtet sie aufgeregt. Kurz bevor Rony im wilden Galopp auf uns zu prescht, beginnt er mit den Hinterbeinen über den Boden zu scharren. Dabei entstehen Spuren im Boden und mich treffen ein paar Moosbüschel. „Er bewirft mich immer, ich denke, er zielt ganz genau!“, sagt sie empört. Ich muss schmunzeln, denn so extrem habe ich dieses Verhalten selten gesehen. „Was könnte dieses Verhalten noch für eine Ursache haben?“, frage ich. „Vielleicht möchte er seinen Duft verstecken, indem er die Blätter darüber macht, weil er unsicher ist.“, antwortet Renate.

Nun stellt sich tatsächlich die Frage: Zeigt Rony dieses Verhalten, weil er unsicher ist und Sorge hat, andere Hunde könnten ihn bemerken oder ist es doch eher eine Geste übertriebener Selbstdarstellung? Stellen wir uns vor, ein anderer Rüde kommt an dieser Stelle vorbei, an der Rony das Bein gehoben und gescharrt hat. Sowohl optisch als auch über den Geruchssinn wird er beim Vorbeilaufen auf diese Stelle aufmerksam werden und sie mit Rony in Verbindung bringen. Je nach Charakter wird er dann einfach nur intensiv schnüffeln, um die Informationen der Duftstelle aufzunehmen oder aber selbst darüber urinieren und vielleicht sogar ebenfalls scharren. „Wie reagiere ich denn am besten darauf?“, fragt Renate. „Soll ich ihm das verbieten oder besser nicht? “ Der Mensch sollte ein solches Verhalten einfach ignorieren, um die Selbstdarstellung des Hundes nicht noch zu unterstützen. Das Unterbinden des Verhaltens macht aber auch wenig Sinn, da es aus Hundesicht von Unsicherheit zeugt, der Mensch sich unsouverän verhalten würde. Hierbei ist es sinnvoll, dass Renate nicht auf Rony wartet, denn Rony lernt sonst, dass Renate sich an ihm orientiert. Er bleibt stehen. Renate bleibt stehen. Er läuft weiter. Renate läuft weiter. Er bleibt stehen. Renate bleibt stehen. Doch eigentlich sollte es in der Mensch-Hund-Beziehung ja genau anders herum sein!

Was sagt mein Hund durch Scharren?

Genauso wie das Urin- und Kotabsetzen gehört Scharren zum Markierverhalten. Manchmal folgt es nach dem Urinabsetzen, es kann aber auch ohne vorheriges Urinieren gezeigt werden und sogar mit einem Knurren unterlegt sein. Durch die Verletzung des Bodens werden Pflanzenteile zerstört und ätherische Öle freigesetzt. Außerdem erfolgt eine sichtbare Kennzeichnung für andere Menschen und Hunde in der Nähe. Wichtig ist hierbei, auf die Blickrichtung des Hundes zu achten. Schaut der Hund zu mir, während er scharrt, ist die Information hauptsächlich an mich gerichtet, schaut er andere Hunde in der Nähe an, hauptsächlich an diese. Doch was bedeutet es eigentlich, etwas zu „markieren“? Zunächst einmal wird ein wichtiger Ort bzw. eine wichtige Stelle, wie z. B. die Urinstelle einer potenziellen Sexualpartnerin, eine Reviermarkierung oder ein Orientierungspunkt, gekennzeichnet, um diese für sich selbst zu beanspruchen. Scharren ist also per se kein unsicheres Verhalten, sondern erfüllt die Aufgabe einer Kennzeichnung für andere Menschen und Hunde. Beobachtet man genau, an welcher Stelle ein Hund scharrt, kann man erkennen, dass dies immer ein Stück neben der Markierung durch den Urin oder Kot des Hundes erfolgt. Der Hund verdeckt mit dem Scharren auch nur selten die Urinmarkierung bzw. den Kot. Respektlos dem Menschen gegenüber kann man das Verhalten aber auch nicht bezeichnen, denn der Hund hat nicht etwa wirklich das Ziel, den Menschen mit dem aufgewirbelten Gras zu treffen.

„FREUDENPIPI“

Ist das normal?

An der nächsten Kreuzung überlegen wir, in welche Richtung es nun weitergehen soll. Rony ist bereits vorgelaufen und hat die Kreuzung genau unter die Lupe genommen. Wir biegen rechts ab und Rony überholt uns. Plötzlich bleibt er stehen und schaut aufmerksam in Richtung Kurve. Langsam kommt uns eine Greyhound- Hündin entgegen. Rony stürmt im wilden Galopp auf sie zu. Sie bleibt wie eingefroren stehen, ihre Rute ist gesenkt und eingeklemmt. Rony stoppt kurz vor ihrer Nase ab, während sie sich auf den Rücken dreht und ihre Bauchdecke zeigt. Sie liegt ganz ruhig und bewegt sich nicht. Rony beschnüffelt sie kurz. Dann richtet er seine Aufmerksamkeit auf den Mann, der die Greyhound-Hündin begleitet. Klaus, ihr Herrchen, erzählt uns, dass sie Marta heißt. Marta steht wieder und schaut sich um. Renate begrüßt sie mit heller Stimme und macht einen Schritt auf sie zu. Die Hündin macht sich klein, die Rutenspitze zeigt Richtung Bauchnabel und sie legt sich wieder auf den Rücken, ihre Maulwinkel sind lang nach hinten gezogen. Renate streichelt ihr in gebeugter Körperhaltung von oben über den Bauch. Dabei setzt die Hündin Urin ab. „Marta ist zehn Monate alt und eigentlich schon stubenrein. Wenn aber Besuch kommt, sie jemanden sieht oder ich und meine Frau nach Hause kommen, entwickelt sie innerhalb von Sekunden enorme Freude und pinkelt dann immer gleich.“ Berichtet Klaus. „Ich frage mich, wie man ihr diese überschwängliche Freude abgewöhnen kann.“

Der Begriff „Freudenpipi“ wird im Alltag häufig verwendet und vermittelt fälschlicherweise, dass es sich bei diesem Verhalten um Freude handelt. Betrachtet man Martas Körpersprache ganz genau, deutet wenig auf ein freudiges Verhalten hin. Einen Hund, der voller positiver Erregung ist, erkennt man an einer wedelnden Rute, bei der die Hüfte mitschwingt. Martas Rutenansatz ist angelegt, die Rutenspitze zeigt Richtung Bauchnabel. Sie macht sich klein, legt sich auf den Rücken, zeigt ihre Bauchdecke und wagt es nicht, sich zu bewegen. Während sie den Blickkontakt vermeidet, zieht sie die Lefzen nach hinten und ihre Ohren sind angelegt. All dies sind Hinweise auf beschwichtigendes Verhalten, das in erster Linie einen Konflikt vermeiden und aggressives Verhalten des anderen dämpfen soll. Dieses Verhalten zeigen Hunde auch gegenüber Menschen.

Wie kommt es, dass Marta konfliktvermeidendes Verhalten gegenüber Renate zeigt, die sie doch eigentlich freundlich begrüßt? Es gibt verschiedene Körperhaltungen, die auf Hunde bedrohlich wirken können. Hierzu gehört unter anderem das Vorneüberbeugen. Beugt ein Hund sich über den anderen, während er den Kopf auf den Rücken des anderen legt, hat dies eine bewegungseinschränkende Bedeutung. Beugt der Mensch sich vornüber, kann dies bei einem Hund, der die Situation nicht sicher einschätzen kann, beschwichtigendes Verhalten hervorrufen. Marta kann es in diesem Fall helfen, wenn der begrüßende Mensch sich ebenfalls klein macht, sich seitlich dreht und den Blick abwendet. Sollte Marta trotzdem urinieren, scheint die Geste des Menschen nach wie vor zu bedrohlich für sie zu sein. Martas Familie hilft ihr, indem sie die Hündin bei der Heimkehr ignorieren, sodass sie sich beruhigen kann und lernt, dass Besuch oder die Rückkehr ihrer Menschen alltägliche Situationen sind, die keiner besonderen Aufregung bedürfen.

Das Urinabsetzen ist in dieser Situation eine infantile, also kindliche Verhaltensweise, mit dem Zweck, den bedrohlichen Hund von sich abzulenken und pflegendes Verhalten, also das Ablecken des Urins herbeizurufen, genauso, wie es die Mutterhündin bei ihren Welpen macht. Es dient hier aber dazu, einen tatsächlichen oder aber vermeintlichen Konflikt zu vermeiden.

RUTE WEDELN

Mein Hund freut sich

Einen freundlichen Hund erkennt man am Wedeln der Rute. Aber Achtung, nicht jedes Rutewedeln kennzeichnet einen positiv gestimmten Hund: Auf den letzten Metern Richtung Auto kommen Rony, Renate und ich an einer Wiese mit hohem Bewuchs vorbei. Bereits aus einiger Entfernung beobachten wir einen Dackel, der mit erhobener Rute und gestreckten Beinen sehr konzentriert auf den Boden starrt. Die Rute wedelt hin und her. Plötzlich springt er senkrecht in die Luft und stampft mit den Vorderpfoten auf. „Er scheint Mäuschen zu jagen.“, sage ich zu Renate. Beim sogenannten „Mäusesprung“ verharrt der Hund, um die Maus auszumachen und dann fast senkrecht in die Luft zu springen, um die Maus dann mit den Vorderpfoten festzuhalten. Der Dackel wedelt also mit erhobener Rute. Das Mäuschen wird wohl kaum davon ausgehen, dass der Dackel freundlich gestimmt ist, sobald es sein Versteck verlässt, ganz im Gegenteil. Das Wedeln zeigt hier, dass sich der Dackel auf der Jagd in einer hohen Erregungslage befindet. Ob diese Erregungslage nun auf etwas für uns Menschen Positives, wie z. B. eine freundliche Begrüßung, oder etwas Negatives, wie z. B. eine Drohung, zurückzuführen ist, lässt sich nur herausfinden, wenn man noch weitere körpersprachliche Hinweise hinzunimmt. Die Bewegung der Rute allein zu betrachten, kann schnell zu einer Fehlinterpretation des Verhaltens führen.

Am Parkplatz angekommen nimmt Renate Rony an die Leine. Während wir über den Parkplatz laufen, steigt gerade eine Mischlingshündin aus dem Auto. Die ältere Dame hält sie an kurzer Leine und bleibt am Auto stehen. Der Abstand zwischen uns und der Hündin wird kleiner, bis wir fast auf gleicher Höhe sind. Daraufhin beginnt die Hündin tief zu bellen und zieht in unsere Richtung. Dabei schwingt ihre Rute in Verlängerung des Rückens hin und her, ihren Kopf hält sie abgesenkt und ihr Blick ist direkt auf Rony gerichtet, starr und drohend. Ihre Ohren sind nach vorne gerichtet und gespitzt. Die Stirn liegt in Falten, ihre Maulwinkel sind nicht nach hinten gezogen, sondern kurz. Ihr Rücken ist gerade, das Gewicht hat sie auf die Vorderpfoten verlagert. Das Fell ist aufgestellt und man sieht insbesondere in der Hals- und Schulterregion die sogenannte „Bürste“, also das aufgestellte Fell. Renate vergrößert den Abstand zu der Hündin, indem sie mit Rony einen Bogen um das Auto herumläuft. „Da hätte ich Rony jetzt nicht hingelassen!“, sagt Renate, was ich nur bekräftigen kann. Betrachtet man ausschließlich das Wedeln der Rute und deutet dies als freundliche Geste, kann es zu Konflikten und vermeidbaren Missverständnissen kommen. Denn auch ein Hund, der Drohverhalten gegenüber Menschen und Hunden zeigt und das Gegenüber auf Distanz halten möchte, wedelt mit der Rute. Entscheidend sind neben der Bewegung der Rute unter anderem Faktoren wie: Blickrichtung, Blickdauer, Ohrenstellung, Lefzen, Bewegungen des Kopfes, Gewichtsverteilung und viele mehr.

T-STELLUNG

Mein Hund stellt sich vor mich

Renate lädt mich noch auf einen Kaffee zu sich nach Hause ein. Nachdem wir bei ihr angekommen sind, machen wir es uns auf dem Sofa gemütlich. Rony nimmt auf dem Teppich vor dem Sofa Platz. Dabei legt er sich mit dem Rücken zu Renate auf ihre Füße, sodass er zwischen Renate und mir, sowie zwischen Renate und der Haustür liegt. Renate streichelt ihm liebevoll über den Kopf. „Zu Hause ist es so schön mit ihm. Manchmal liegt er viele Stunden so, während ich mich mit Freunden unterhalte. Er sucht meinen Körperkontakt. Daran merke ich, wie lieb er mich hat.“ Während wir uns unterhalten, wufft Rony, hebt den Kopf und lauscht. Plötzlich springt er auf und bellt. „Rony! Lass das. Da ist niemand, hör auf zu bellen!“, ruft Renate. Rony steht an der Haustür und bellt. „Das sind bestimmt die Nachbarn, die er hört.“, meint Renate.

In dieser kurzen Geschichte verstecken sich gleich mehrere Missverständnisse. Während Rony auf dem Teppich, zugleich aber auf den Füßen von Renate liegt, spricht man vom sogenannten „Kontaktliegen“. Auch bei Hunden, die ein gemeinsames Zuhause teilen, kann man das Kontaktliegen beobachten und es spricht für ein nettes Miteinander. Es gibt jedoch zwei verschiedene Formen: Das Kontaktliegen kann zum einen partnerschaftlich gemeint sein und damit ein Zusammengehörigkeitsgefühl erzeugen. Zum anderen kann es aber auch eine kontrollierende Funktion haben. Schaut man sich das Verhalten von Mutterhündinnen und ihren Welpen an, liegen diese ebenfalls so zusammen, dass sie einander berühren. Entfernt sich ein Welpe von der Mutter, kann sie es sofort merken und darauf reagieren. Es handelt sich um fürsorgliches Verhalten der Elterntiere. Gleichzeitig wird derjenige, der nicht aktiv die Nähe gesucht hat, jedoch in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt, sodass hier eher die kontrollierende Bedeutung in den Vordergrund tritt.

Wie kann man Fürsorge von Kontrolle unterscheiden? Partnerschaftliches Verhalten kann man daran erkennen, dass beide Partner entspannt sind und das Zusammenliegen auf freiwilliger Basis erfolgt. Rony legt sich auf Renates Füße und macht einen entspannten Eindruck. Auch Renate genießt die körperliche Nähe. Leider sind die beiden Formen nicht immer klar voneinander zu trennen. Interessant wird es, wenn es Renate unbequem wird und sie ihre Sitzposition wechseln möchte, denn kontrollierendes Verhalten ist dadurch gekennzeichnet, dass einer der Partner in Bereitschaft ist, aufzupassen und den anderen dabei in der Bewegung einschränkt. Würde Renate ihre Füße unter Rony hervorziehen und Rony unmittelbar erneut den Körperkontakt suchen, könnte dies ein Indiz dafür sein, dass er Renate in der Bewegung einschränkt. Während Renate auf dem Sofa sitzt, liegt Rony in „T-Stellung“ auf ihren Füßen. Die von ihm gewählte Position, nämlich zwischen Frauchen und mir, sowie zwischen Frauchen und Haustür, ist dabei kein Zufall. Denn dieser strategische Liegeplatz ermöglicht einen guten Überblick über die Geschehnisse. Im „Notfall“ kann Rony als erster bei mir oder der Tür sein und der Gefahr entgegentreten.

Was ist die T-Stellung?

Betrachtet man Hunde im Freilauf, kann man ebenfalls beobachten, dass Hunde sich gegenseitig stoppen und in der Bewegung einschränken. Die sogenannte „T-Stellung“ beschreibt die Stellung zweier Hunde zueinander. Ein Hund stellt sich dabei seitlich vor einen anderen, sodass die beiden Körper den Buchstaben „T“ bilden. Der Hund, welcher den Balken des T formt, stoppt den anderen in seiner Bewegung. Die „T-Stellung“ kann man auch bei Mensch und Hund wiederfinden.

DIE TÜRKLINGEL

Öl ins Feuer gießen

Viel aufschlussreicher ist jedoch, dass Rony zu bellen beginnt, sobald er etwas hört und zur Tür läuft. Rony übernimmt die Aufgabe und die Verantwortung darüber zu entscheiden, wann Gefahr droht. Er meldet Geräusche und passt auf, dass niemand Fremdes die Wohnung unbemerkt betritt. Nach ein paar Minuten bellt Rony nicht mehr und legt sich wieder auf den Teppich. Die Nachbarn hört man nicht mehr. Aus seiner Sicht hat er seinen Job hervorragend erledigt. „Ich weiß nicht, warum er sich immer so aufregt. Als er noch jünger war, hat er das nicht gemacht.“, sagt Renate.

Zieht ein Hund als Welpe ein, liegt das Aufpassen noch nicht im Fokus seines Interesses. Mit der Pubertät und schließlich dem Erwachsenenalter wird das Aufpassen für den Hund zu einem wichtigen Bestandteil im Alltag. Verpassen wir Menschen es nun, dem Hund zu vermitteln, dass wir sehr gut auf uns selbst und unser Zuhause aufpassen können, verschiebt sich unbemerkt die Aufgabenverteilung. Was kann Renate unternehmen, um Rony zu zeigen, dass sie ab jetzt die Aufgabe übernimmt, auf ihn, das Haus und die Familie aufzupassen? Hier hilft es wieder, Ronys Verhalten genau anzuschauen. Häufig werden wir erst auf das Bellen aufmerksam, das Wuffen jedoch überhören wir.

Wieso ist es so wichtig, das Wuffen vom Bellen zu unterscheiden? Ein Hund, der wufft, teilt uns zunächst einmal Folgendes mit: „Achtung, ich habe etwas gehört und finde es komisch!“. Im Unterschied zum Bellen hat der Hund beim Wuffen das Maul geschlossen und die Wangen blasen sich auf. In der Regel reagieren wir auf das Wuffen, indem wir es ignorieren, denn es ist ja nicht sonderlich laut und stört uns daher nicht. Aus Ronys Sicht heißt das aber, dass er anscheinend der einzige mit guten Ohren ist, denn offensichtlich hört niemand außer ihm die Gefahr. Also muss er wohl deutlicher werden und beginnt, zu bellen. Spätestens jetzt stört es Renate doch und sie versucht, Rony zu beruhigen bzw. ihm das Bellen zu verbieten. Für Rony heißt das: Renate hat das Geräusch zwar mitbekommen, wird aber immer noch nicht aktiv und sichert die Wohnung. Stattdessen spricht sie mit ihm und das auch ziemlich laut: „Rony! Lass das. Da ist niemand, hör auf zu bellen!“. Offensichtlich scheint Renate also selbst sehr aufgeregt und besorgt zu sein, denn Rony versteht nicht den Inhalt der Sätze, er achtet nur auf Renates Tonlage. Für Rony heißt das jetzt umso mehr: Ich muss aufpassen. Je lauter wir Menschen in einer solchen Situation werden, desto aufgeregter wirken wir auf unsere Hunde und vermitteln ihnen damit den Eindruck, selbst mitzubellen.

Was kann ich als souveräner Hundehalter nun tun? Rony wufft und hat somit etwas gehört, was Renates Ohren vielleicht entgangen ist. Geht sie jetzt in die Richtung der Gefahr und öffnet einmal die Wohnungstür, um in den Flur bzw. auf die Straße zu schauen, beobachtet Rony sie dabei sehr genau. Rony soll dabei auf seinem Liegeplatz liegen bleiben und nicht etwa mit an die Haustür kommen, um nachzusehen. Dies ist allein Aufgabe des Menschen. Steht Rony anfangs doch noch auf, da er diese Aufgabe Renate nicht zutraut, kann sie ihn auch vorübergehend anleinen. Entscheidend ist dann, dass Renate, während sie zum Sofa zurück schlendert, entspannt bleibt, denn es besteht ja eben kein Grund zur Beunruhigung. Sie kann Rony daher mit den Worten „Alles okay“ und dem Signal „Frei“ wieder aus dem „Bleib“ freigeben, sollte aber nicht ausdauernd und beruhigend auf ihn einreden. Denn dann würde sie sich aus Ronys Sicht „komisch“ und „anders als sonst“ verhalten und er würde ihr nicht glauben, dass es keinen Grund zur Beunruhigung gibt. Wufft oder bellt Rony weiterhin, also auch nachdem Renate nachgeschaut hat, soll er erst einmal auf seinem Liegeplatz liegen bleiben. Erst wenn er sich beruhigt hat, darf er wieder herumlaufen. Bis Rony entspannt liegenbleibt, während Renate nachschaut, wird einige Zeit vergehen, denn er muss ja erst einmal lernen, dass Renate offensichtlich für die Sicherheit der beiden die Verantwortung übernehmen kann. Renate atmet schwer. „Und ich dachte, er hat mich lieb!“, sagt sie traurig.

Mensch lernt nie aus

Missverständnisse in der Kommunikation sprechen aber keinesfalls für eine schlechte Beziehung zwischen Mensch und Hund. Manchmal fehlen uns einfach das Verständnis und das Wissen über die Kommunikation und das Verhalten unserer Hunde. Doch wir haben jeden Tag die Möglichkeit, durch das Beobachten unserer Hunde Neues zu lernen und unser Wissen über unseren vierbeinigen Freund zu erweitern, sodass es zu einer immer tieferen und harmonischeren Beziehung zwischen Hund und Mensch kommt. Und das ist es doch, was wir uns alle wünschen.