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Hundesenioren

über die Tücken, Lasten und die Romantik des Alterns unserer Hunde

Im Alter wachsen Mensch und Hund oft noch enger zusammen, alte Hunde brauchen mehr Unterstützung

"Abbey" ist bald 14 Jahre alt

Auch die Behaarung wird im fortschreitenden Alter weniger, ein Mantel oder Pullover können Abhilfe verschaffen

Abbey mit 6,5 Jahren im Tierheim Nitra

Beschäftigung ist auch im Alter wichtig

So alt sind Hunde verhältnismäßig in Menschenjahren

Ein Zweithund zu einem Alten will gut überlegt sein

Dass das Altern ein unaufhaltbarer Prozess ist, lehrt uns das Leben ja täglich aufs Neue. Und auch vor unseren Vierbeinern macht diese List keinen Halt. Schwer fällt uns das vor allem, weil unsere geliebten Vierbeiner einfach nicht so alt werden wie wir und dieser Vorgang oft schneller da ist als einem lieb ist...

Meine Rhodesian Ridgeback Hündin „Abbey“ wird bald 14 Jahre alt – sie ist ein Methusalem für Hunde ihrer Rasse und Größe. Abbey habe ich vor über 7 Jahren aus einem slowakischen Tierheim übernommen. Mir ist es immer wichtig Hunden eine zweite Chance zu geben, vor allem aber – ja, das ist ein Geständnis – nervt mich die Welpenzeit, weswegen ich sie bei meinen Hunden immer gerne großzügig umgangen bin. Eine meiner größten Schwächen ist Ungeduld und so gestehe ich wahrscheinlich zu ungeduldig zu sein, wenn der kleine tapsige Welpe im Schneckentempo Gassi geht und sich von jedem Blatt und Schmetterling in Trance versetzen lässt. Dazu muss man natürlich alle paar Stunden raus, damit kein Geschäft daneben geht und eine gute Stubenreinheit antrainiert wird. Warum ich das erzähle? Meine Abbey ist nun mit ihren 13,5 Jahren wieder komplett in diese Phase geraten. Ähnlich wie bei alten pflegebedürftigen Menschen, entwickeln sich auch Hunde in diesem Lebensabschnitt quasi wieder zurück. Da hab ich nun also meinen Riesenwelpen. 37 kg die im Schneckentempo völlig demotiviert die Straße entlang schlendern. Etwa einmal pro Tag geht ein Geschäft daneben, weil sie den Druck einfach zu kurzfristig bemerkt oder es beim Schlafen erst gar nicht spürt. Abbey wird auch schon dement, was sich häufig in leicht amüsanter Desorientierung bemerkbar macht. Etwa wenn sie bei einem etwas längeren Spaziergang zu irgendeinem Auto geht, Hauptsache es geht schnell wieder nach Hause. Oder auch einfach mal völlig fremde Hauseingänge wählt, weil sie findet, dass es Zeit ist umzukehren. Meine tiefe Liebe zu ihr siegt natürlich über meine Ungeduld, so habe ich auch gelernt bei unseren kurzen Ausflügen etwas zu entschleunigen und begegne ihrem Alter mit höchstem Respekt und Würde.

Wann altern Hunde eigentlich?

Eine Studie der Uni Göttingen aus 2013 mit rund 50.000 Hundedaten von 74 verschiedenen Rassen hat bewiesen, dass „große Hunde schneller altern“. Warum genau das so ist, weiß die Wissenschaft leider noch nicht, generell hat man aber festgestellt, dass große Varianten innerhalb einer Tierart eher früher sterben als kleine. Eine Theorie die ich sehr plausibel finde besagt, dass das verhältnismäßig schnelle Wachstum und die Versorgung eines großen Tieres mehr Zellenergie bräuchte, was in Folge dazu führt, dass die Zellalterung schneller voranschreitet. Ermittelt wurde auch, dass große Hunde (also etwa ab Größe Labrador) im Schnitt 5 – 8 Jahre alt werden, kleine Hunde hingegen 10 – 14 Jahre. Natürlich gibt es auch größere Hunde die mit 15 noch quietschfidel sind und kleinere Rassen, die keine 10 Jahre alt werden. In aller Regel ist es jedoch anders. 

Auch graue Schnauzen sind nicht unbedingt DER Indikator fürs Altern, auch hier gibt es – wie auch beim Menschen – Hunde deren Melaninproduktion früher verlangsamt und folglich Haare nicht mehr so gut pigmentiert werden. 

Typische Alterskrankheiten beim alten Hund sind laut der deutschen Tierärztin Sophie Strodtbeck z. B. „Niereninsuffizienz, Herzerkrankungen, Tumore, Übergewicht, Lebererkrankungen, Schilddrüsenerkrankungen, Diabetes und vieles mehr“. Deswegen sollte man bei älteren Hunden regelmäßig das Blutbild untersuchen und ein Ultraschall machen lassen, um etwaige Veränderungen frühzeitig zu erkennen. 

Die altersbedingten Abnutzungserscheinungen der Knochen und Gelenke tun dann ihr Übriges dazu: Arthrosen sind eine Art „Gelenksverschleiß“ die entweder genetisch, traumatisch oder durch Überbelastung (höheres Gewicht) entstehen und manchmal auch zu schmerzhaften Gelenksentzündungen (Arthritis) führen können. 

Hier sollte der verantwortungsvolle Hundehalter auf jeden Fall mit Schmerz- und Entzündungshemmern gegen die Schmerzen vorgehen, natürlich immer in Rücksprache mit dem Tierarzt des Vertrauens. Solche Alterungsprozesse lassen sich leider nicht aufhalten, maximal ein wenig verzögern. Abbey etwa, bekommt seit über 4 Jahren regelmäßig die volle Dröhnung an Schmerzmitteln. 

Natürlich leiden alternde Hunde auch unter einer allmählich nachlassenden Seh- und Hörfunktion. Das eingeschränkte Sehvermögen kann in der Hund-Hund-Kommunikation sehr hinderlich sein, wenn z. B. Artgenossen nicht mehr richtig gelesen werden oder zu spät wahrgenommen werden können. Das schlechtere Hören ist häufig ein verstärkter Angstauslöser, weil Geräusche nicht mehr eindeutig zugeordnet werden können und folglich eine größere Verunsicherung entstehen kann. Da kann man von Glück sprechen, wenn Gewitter und Feuerwerk irgendwann erst gar nicht mehr gehört werden. 

Auch das Alleinebleiben wird bei manchen Hunden schlechter. Sie sind natürlich nicht mehr so autark und brauchen den Menschen oft als ständigen Fels in der Brandung an ihrer Seite. Ich finde das völlig in Ordnung und lasse bei Abbey diese Nähe zu so gut es geht. Auch wenn das bedeutet, dass sie plötzlich nur glücklich sein kann, wenn sie Abends den Badezimmerteppich ziert, während ich ein Bad nehme. Wo diese Nasszelle doch immer so verhasst war... 

Hilfen im Alltag

Im Alter helfen Hunden – wie auch uns Menschen – halbwegs geregelte feste Strukturen. Das muss jetzt nicht heißen, dass Sie Ihren Alltag auf Seniorenheim-Rhythmen umstellen müssen, zumindest sollten aber häufige Veränderungen vermieden werden, da die Anpassungsfähigkeit und Flexibilität im Alter oft schwindet. Auch sollten sie ihrem Vierbeiner viel Ruhe gönnen und ruhige, gut gepolsterte Schlafplätze zur Verfügung stellen. Viele alte Hunde kommen von glatten Liegeflächen nicht mehr selbständig auf, weswegen eine gute rutschfeste Erreichbarkeit nötig ist. Mein Zuhause ist ein Meer aus rutschfesten inselartig formierten Fleckerlteppichen, die Abbey helfen von A nach B zu kommen. Obendrein sind sie waschbar – für etwaige Unfälle. Nun ist die Wohnung nicht mehr fit fürs Schöner Wohnen-Magazin aber dafür eine echtes Hundesenioren-Refugium. Eine kleine Lichtquelle Nachts oder ein Wassernapf neben dem Schlafplatz, kommen so manchem gebrechlichen Vierbeiner übrigens auch entgegen. 

Beim Spaziergang kann ein Brustgeschirr mit Haltegriff oder ggfs. auch ein spezieller Tragegurt für die Hinterbeine helfen, wenn es mal wackelige Tage gibt. Gassigänge sollten natürlich eher kurz und dafür häufiger stattfinden. 

Training

Wer rastet der rostet. Die Herausforderung mit einem alten Hund ist aber das richtige Mittelmaß zu finden. Ich gehe z. B. regelmäßig mit Abbey ein paar Treppen hinauf und ab und an besuchen wir eine tolle Physiopraxis und nutzen das dortige Unterwasserlaufband für einen effizienten Muskelaufbau bzw. -erhalt. Vielmehr sollte man aber auch nicht vergessen, den Hund immer wieder geistig zu fordern. Futtersuchspiele, Clickertraining und auch bei kleinen Aufgaben während des Spaziergangs wird Dopamin ausgeschüttet, welches eine befriedigende selbstbelohnende Wirkung auf den Organismus hat. Abbey liebt es beispielsweise mit dem Futterbeutel zu apportieren. Regelmäßig verstecke ich ihn für sie und lasse sie danach suchen. Während sie wartet macht sie Steh-Bleib anstatt wie früher Sitz und Bleib, um ihre Knochen nicht zusätzlich zu belasten. Wenn ich sie dann in die Suche schicke, kommt sie voller Stolz auf mich zu gestolpert und freut sich auf ihre Belohnung. Das macht mir regelmäßig ein warmes Gefühl ums Herz. 

Zweithund ja oder nein

Oft stellt sich noch die Frage nach einem Zweithund. Dieser hat, ohne Frage, natürlich für den Menschen den Effekt nach dem Tod des älteren Hundes nicht plötzlich ganz alleine zu sein. Natürlich sollte man hier aber in erster Linie immer im Sinne des alten Hundes entscheiden. Ich erlebe immer wieder, dass zu einem alten Hund ein sehr junger genommen wird und die Menschen dann denken, dass der Alte einen „zweiten Frühling“ durchlebt. In Wahrheit ist er aber oft völlig überfordert mit der Erziehung des Kleinen und wirkt dadurch aktiver. Ein zweiter Hund sollte also ggfs. besser älter sein und den Ersthund nicht nerven. Auch bei mir ist, vorerst als Pflegestelle, vor 6 Monaten eine 1,5 Jahre alte Hündin eingezogen. Das Go zu bleiben hat sie aber erst bekommen, weil sie so unglaublich nett und ignorant zugleich mit Abbey war. Mir war also gleich bewusst, dass sie Abbey nicht überfordern oder stören würde, deswegen gab es die erhoffte Freigabe zu bleiben.

Der Abschied

Auch die beste Palliativpflege bewahrt nicht davor, dass irgendwann der Zeitpunkt des Abschieds naht. Leider verläuft es in den seltensten Fällen so, dass der Hund nachts im Körbchen einschläft und man doch als Mensch entscheiden muss, wann es an der Zeit ist. 

Dazu kann ich nur sagen: Lassen Sie sich nicht von anderen verunsichern und achten Sie auf nichts anderes als ihr Bauchgefühl. Kein Hund sollte leiden, weil es dem Menschen schwer fällt ihn gehen zu lassen aber verantwortungsvolle Hundehalter entscheiden dies in aller Regel genau richtig. Lieben und Loslassen können gehören leider einfach zusammen.

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