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Leinenführigkeit

Der Spiegel der Mensch-Hund-Beziehung

Leinenführigkeit kann auch für ein tolles Verhältnis zwischen Mensch und Hund stehen.

Acim und sein Herrchen können nun wieder entspannt durch die Straßen gehen.

Einen Hund an der Leine zu führen, ist eine der unnatürlichsten Anforderungen, die der Mensch an seinen vierbeinigen Liebling hat. Und trotzdem ist die Leine in unserer Gesellschaft ein unabdingbares Hilfsmittel für Mensch und Tier. Dem Hund beizubringen, an lockerer Leine zu gehen, ist nicht immer leicht, bietet ihm aber auch viele Vorteile. Wenn wir ihm beibringen können, die Leine wie ein "An-die Hand-Nehmen" zu verstehen, bereichert Leinenführigkeit sogar unsere Beziehung...

Wenn Hunde an der Leine ziehen, gilt es, im ersten Schritt die Gründe für dieses Verhalten herauszufinden. Oft ziehen Hunde, weil sie am Boden schnüffeln wollen. Dies kann aus einer sexuellen Motivation entstehen, indem von Grashalm zu Grashalm z. B. Urin inspiziert wird. Oder aus einer jagdlichen Motivation heraus, wenn die Gerüche am Boden staubsaugerartig aufgesaugt werden. Andere Hunde ziehen wiederum, weil sie einen zu hohen Status in der Mensch-Hund-Beziehung haben. Hunde, deren Körpersprache nach vorne gerichtet ist und die imponierend, mit stark erhobener Rute vorneweg ziehen, fühlen sich häufig für die Sicherung des Territoriums zuständig. Manche Vierbeiner zeigen aber ihren Menschen gegenüber auch parentales Verhalten, sprich, sie glauben, auf ihre Halter aufpassen zu müssen. Hundebesitzer berichten dann oft, dass genau der gleiche Hund oft besser bei Fuß geht, wenn er nicht an der Leine geführt wird. Natürlich: Wenn er vorneweg zieht, spürt der Hund, dass sein Mensch hinten dranhängt, und kann sich so besser um die Gegend kümmern. Wenn keine Leine im Spiel ist, muss der Hund nah beim Menschen bleiben, damit er die Kontrolle über ihn nicht verliert. Oftmals ist das Ziehen an der Leine aber auch schlicht erlerntes Verhalten. Dem Menschen ist es zwar zu allermeist nicht angenehm, dass der Hund zieht, dennoch hat er in der Erziehung vernachlässigt, ihm beizubringen, nicht zu ziehen.

Früh übt sich

Leinenführtraining kann bereits in den ersten Lebenswochen stattfinden. Wenn der Hund hier lernt: "Angeleint zu sein, ist einfach toll", hat man die besten Voraussetzungen, ihm das Bei-Fuß-Gehen beizubringen. Wenn Kunden zu uns ins Leinenführtraining kommen, ist es häufig so, dass der Hund die Leine schon grundsätzlich als negativ ansieht. Angeleint zu werden, heißt für ihn dann: Spaß vorbei, begrenzt sein, ziehen, bis ich keine Luft mehr kriege. In diesen Fällen rate ich immer zuerst die Einstellung des Hundes zu ändern. Jegliches Spiel, Aufmerksamkeit und alles, was dem Hund sonst Spaß macht, findet in Kombination mit der Leine statt, ohne Leine zunächst einmal nicht mehr. Nur so hat man die Chance, auch die Aufmerksamkeit des Vierbeiners zu bekommen, und er lernt: "Wenn die Leine dran ist, ist Action mit Frauli oder Herrli angesagt."

Leider lernen viele Hunde aber bereits im frühen Alter, dass an der Leine zu ziehen, absolut sinnvoll für sie ist. Sie sehen einen anderen Hund, wollen an einer Stelle schnuppern oder in Richtung Hundezone gehen und ziehen. Und der Mensch ... folgt ihnen. Natürlich lernen sie so, dass es sich absolut lohnt, in eine Richtung zu ziehen.

Das Übel an der Wurzel packen

Sie sehen also, es gibt eine Menge Gründe, warum Hunde an der Leine ziehen. Und wo viele Gründe sind, gibt es auch viele Trainingswege. Zieht Ihr Hund aufgrund seines unbefriedigten Jagdtriebs, gilt es zum Beispiel im ersten Schritt für dessen (kontrollierte!) jagdliche Auslastung zu sorgen. Genauso muss man Hunde, die augenscheinlich aus Langeweile, also ohne konkretes Ziel ziehen, geistig und körperlich stärker auslasten. Zieht der Hund, weil er auf die Gegend aufpasst oder Sie kontrolliert, so beginnt das Training nicht an der Leine, sondern bei Ihnen zu Hause. Hier müssen neue Regeln und Strukturen eingeführt werden, die dem Hund nicht nur vermitteln, dass er nicht in der Verantwortung steht aufzupassen, sondern der Mensch für Sicherheit im Rudel sorgt. Nur so kann es eine gute Beziehung geben, die auf gegenseitigem Respekt und Vertrauen aufgebaut ist.

Ist die Leine für den Hund positiv besetzt, kann sie ihm auch viele Vorteile bringen. Manche Hunde fühlen sich durch die Leine unterstützt und sicherer. So konnte ich auch schon gute Erfolge verzeichnen, wenn Hunde beispielsweise bestimmte Treppen vermeiden. Ein Hund, der die Leine als "helfende Hand" sieht, fühlt sich oft durch den Menschen gestärkt und lässt sich dadurch besser auf verschiedene Situationen ein.

Den Hund an der Leine zu führen und dies als ein "An-die-Hand-Nehmen" zu betrachten, ist der wichtigste Ansatz beim Thema Leinenführigkeit. Haben Mensch und Hund den gegenseitigen Nutzen verstanden, steht harmonischen Spaziergängen an der Leine nichts mehr im Weg.

Der Fall "Acim"

Ich möchte Ihnen von Acim erzählen. Er ist ein heute fünfjähriger rumänischer Straßenmix, welcher in seiner Jugend bei seinen neuen Besitzern im Burgenland Platz fand. Wie das oft so ist, war er als Straßenhund ziemlich entspannt mit anderen Hunden. Umweltreize waren immer schon schwierig für ihn, alles Neue brauchte seine Zeit, damit er sich daran gewöhnen konnte. Mit dem Erwachsenwerden wurde die Welt für ihn ernster, und viele andere Hunde waren plötzlich nicht mehr so erwünscht wie bisher. Er sprang regelmäßig in die Leine und bellte wie verrückt, um potenzielle Konkurrenten aus dem Territorium zu vertreiben.

Nach einigen Besuchen in diversen Hundeschulen kamen Acims Halter zu uns ins Training. Nachdem ich mir erste Eindrücke seines Verhaltens machen konnte, war für mich klar, dass es sich hier zwar um territorial motivierte Aggression handelte, diese aber vorwiegend aus Unsicherheit entstand. Warum? Weil Acim kein souveräner Hund war und in für ihn angespannten Situationen nicht angemessen reagierte. Er hat gelernt, dass es Eindruck macht, wenn er nach vorne schießt und Wirbel macht, daher hat er es in sein Verhaltensrepertoire aufgenommen. Mir war klar, dass es bei Acim nicht darum ging, mühsame Alternativen zu seinem Aggressionsverhalten aufzubauen oder ihn dafür zu maßregeln, sondern ihm schlicht zu zeigen, dass nun Frauchen und Herrchen die Führung übernehmen und er sich um nichts mehr kümmern muss. Wir haben also ein Leinenführtraining aufgebaut, bei dem Acim immer etwas seitlich HINTER seinem Besitzer gehen sollte. Kam er nach vorne, wurde er wieder zurückgeschickt. Auch beim Stehen und Warten musste Acim nun immer etwas versetzt hinter seinen Menschen bleiben, damit er seine Einstellung: "Ich bin vorne und muss die Dinge regeln" aus dem Kopf bekam.

In kürzester Zeit hat Acim den Führungswechsel verstanden und geht heute noch tiefenentspannt mit seinem Herrchen durch die Welt. Andere Hunde sind nun nicht mehr als zu vertreibende Gefahr anzusehen, da sein Herrchen aus seiner Sicht nun alles im Griff hat. Acim hat gelernt, seinen Menschen zu vertrauen und die Leine als helfende Hand zu verstehen.


DAS KLEINE 1 X 1 DER LEINENFÜHRIGKEIT

ENTSCHEIDUNGEN TREFFEN: Leinenführtraining findet nicht nur an der Leine auf dem Hundeplatz statt. Vielmehr geht es ja darum, dem Hund Führung abzunehmen und ihm draußen zu vermitteln: "Vertrau mir, ich führe dich sicher durch die Welt." Dieses Vertrauen schenkt Ihnen der Hund nur dann, wenn Sie sich im Alltag so verhalten, dass Ihr Vierbeiner Sie auch ernst nimmt. Versuchen Sie also vorweg, sich schon nicht mehr von dem Hund beeinflussen zu lassen, treffen Sie mehr Entscheidungen als Ihr Hund! Fordert er Sie zum Spiel auf - ignorieren Sie ihn, stupst er Sie an, um gestreichelt zu werden - beachten Sie ihn nicht, zieht er an der Leine zu einer Laterne, um zu schnuppern - bleiben Sie standhaft und gehen Sie Ihren Weg. Nur so haben Sie die Chance, wirklich souveräne Führung vorzugeben.

SIGNAL ETABLIEREN: Geht Ihr Hund an lockerer Leine neben Ihnen, etablieren Sie ein verbales Signal dazu, zum Beispiel "Leine". Sagen Sie "Leine" immer dann, während der Hund das erwünschte Verhalten zeigt. Haben Sie schon mit einem Signal geübt, das nicht so richtig funktioniert, rate ich immer, ein neues Wort aufzubauen, das nun positiv besetzt wird. Viele Hunde haben z.B. "Fuß" schon negativ verknüpft, da sie, während das Kommando gegeben wurde, korrigiert wurden.

MODI FESTLEGEN: Weiß der Hund nun, was "Leine" bedeutet, muss er genauso gut auch einen Modus außerhalb der Leinenführigkeit kennen. Gerade im Übungsaufbau ist es ja unrealistisch, den Hund nun perfekt leinenführig durch alle Alltagssituationen zu leiten. Abgesehen davon, ist das vorne Laufen auch nicht per se verboten. Daher ist anzuraten, einen Modus, z.B. "Zieh", für alle Situationen außerhalb des Leinenführtrainings festzulegen. In diesem Modus darf Ihr Hund Sie auch mal überholen, schnüffeln und bedingt auch mal ziehen. Sagen Sie Ihrem Hund nun also "Zieh", und er zieht tatsächlich, können Sie immer behaupten: "Das habe ich ihm ja auch gesagt." 


Hier geht's zum Angebot zur Leinenführigkeit bei Martin Rütter DOGS Wien 

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