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Über den Sinn und Unsinn von Hundezonen

Warum Hundezonen keine "Hundespielplätze" sind...

Was oft als Spiel interpretiert wird, ist alles andere als "echtes Spiel".

Ich höre immer wieder von Menschen, die Hunde gerne zum "Hundespielplatz" ausführen, wie man es eben mit einem Kind tun würde. Tatsache ist aber: Darum geht es ganz und gar nicht.

Wenn Sie auch das Privileg haben in einer der lebenswertesten Städte der Welt leben zu dürfen und obendrein noch mit einem Vierbeiner Ihr Leben teilen, sind Sie bestimmt schon mit einer der über 160 Hundezonen in Wien in Berührung gekommen. Und zugegeben: Eine echt tolle Idee ist das. Hunden gerade im städtischen Gebiet eingezäunte Auslaufbereiche zu bauen, um ihnen dort die sichere Möglichkeit zu gewähren, unangeleint einfach mal frei laufen zu können. In der Stadt besteht ja schließlich Leinen- oder Maulkorbpflicht. So weit so gut. Bei knapp 57.000 gemeldeten Hunden - die Dunkelziffer wird auf rund 100.000 vierbeinige Stadtbewohner geschätzt - und über 1 Mio. Quadratmeter Auslauffläche in den Hundezonen hat sich die Stadt hier etwas vermeintlich Gutes einfallen lassen, oder etwa nicht?

Vermenschlichung mal anders

Wenn wir über Hundehaltung und Vermenschlichung sprechen, denken wir oft an Hunde in übertriebenen Kleidchen oder Handtaschen von Paris Hilton und Co. Vermenschlichung läuft aber sehr häufig leider auch auf einer anderen Ebene ab. Nämlich dort, wo Hunden oft aus Unwissen all das geboten wird, was wir sonst nutzen, um Kinder zu verwöhnen: Körbchen voll mit Spielzeug, Leckerlis da, Kauknochen dort - ein vielfältiges Buffet voller Verlockungen.

Offen gestanden ist dieses Überangebot für Hunde völlig unnatürlich und obendrein erzieherisch nicht schlau, aber das ist eine andere Geschichte. Wovon ich aber auch immer wieder höre, ist, dass Mensch seinen Hund auch gerne mal zum "Hundespielplatz" ausführt, wie man es ebenso mit Kindern tun würde. Tatsache ist: Erwachsene Hunde spielen viel seltener als Menschen das annehmen. Spielen dient in der Welpen- und Junghundezeit dazu, dass Verhalten für den Ernstfall geübt und Sozialverhalten erlernt wird. Spielverhalten wird aber, wie beim Menschen auch, mit dem Erwachsenwerden weniger, erst recht mit Fremden. Oder haben Sie in letzter Zeit einmal einen Fremden angesprochen, um mit ihm Karten zu spielen? Ich denke eher nicht.

Vielleicht tun Sie das aber ab und an mit Freunden, wie Hunde es eben auch tun würden, nur halt ohne Karten ... Mit vertrauten Kumpels lässt es sich entspannt und losgelöst spielen, da kennt man einander gut, kann sich gegenseitig einschätzen und echtes, sog. "freies Spiel" losgelöst praktizieren. In den Hundezonen und auf den Hundewiesen dieser Welt sieht man natürlich oft Hunde, die sich "anspielen", sehr häufig aber nur, um zum Beispiel die sexuellen Avancen des Gegenübers umzulenken oder andere Unsicherheiten zu kompensieren. Immer wieder wird auch territoriales Begrenzen, also der Versuch des Abstoppens, mit einem Laufspiel verwechselt. "Rollenwechsel" ist übrigens ein weiteres wichtiges Kriterium für echtes Spiel.

Lange Rede, kurzer Sinn: Was Hundehalter oft in die Begegnungen in Hundezonen interpretieren, ist häufig alles andere als echtes Spiel. Die Hunde selbst empfinden dabei meist mehr Stress als Entspannung. Von den Mobbingsequenzen, die sich aufgrund der Gruppendynamik ergeben können, einmal ganz zu schweigen. Da herrscht oft pure Anarchie unter Hunden und die Menschen nehmen sich fein raus. Sozialkontakt okay, aber bitte nicht um jeden Preis.

Mein Haus, mein Garten, meine Hundezone?

Ein weiterer wichtiger Punkt, der oft vergessen wird: Die angeborenen Motivationen und "Wichtigkeiten" unserer Vierbeiner. Was wir unseren Hunden jahrhundertelang angezüchtet haben, ist zum Beispiel ein mehr oder weniger hohes Bewusstsein für den Bereich, in dem sie leben, das sogenannte "Territorium". Dieses Bewusstsein führt unweigerlich zu einer wiederum mehr oder weniger erhöhten Wachsamkeit für "Störer" und Fremde im definierten Lebensraum. Nun legen die einen Hunde gar keinen Wert auf gewisse Bereiche, dulden alle Menschen und Hunde in den eigenen vier Wänden und darüber hinaus anstandslos.

Andere wiederum sind da schon etwas kritischer und entscheiden oft nach Sympathie, Geschlecht oder schlicht Gemütslage, wer sich in seinem Haus, seiner Straße oder seinem Bezirk so herumtreiben darf oder nicht. Ein territoriales Bewusstsein ist also ein ganz individuelles, aber durchaus natürliches Recht unserer Hunde. Nun schaffen wir mit den Hundezonen eine Art "Zwangsbegegnungsräume", die es so in der Natur einfach nicht geben würde, geschweige denn, dass Hunde danach streben würden, diese Grenzen täglich bewusst zu überschreiten.

Ist eine solche Territorialität in einem Hund verwurzelt, ist es übrigens auch nicht verwunderlich, wenn nach 15-minütigem Verweilen in einer eingezäunten Auslauffläche beim Betreten eines Fremden ein Konflikt entsteht. Schließlich wurde vorher vielleicht auch fleißig markiert, Grenzen wurden abgesteckt und durch körpersprachliche Präsenz unterstrichen. Ich kann es nicht oft genug sagen: Wir müssen uns wieder einmal vor Augen halten, wie verdammt tolerant und anpassungsfähig unsere Hunde eigentlich sind, wo wir ihnen doch ursprünglich ein völlig anderes Verhalten abverlangt haben.

Mein Fazit

Ich bleibe dabei: Hunden in der Stadt Freilauf- und Begegnungszonen zu schaffen, ist schon eine gute Sache und prinzipiell auch eine faire Gegenleistung für die ohnehin recht hohe Hundesteuer. Was aber gar nicht geht, sind telefonierende, tratschende, unachtsame Hundehalter, die Hundezonen als temporären Garten ohne Regeln oder eben "Hundespielplätze" betrachten. Denn gerade dort, wo auf mehr oder weniger engem Raum viele fremde Hunde aufeinandertreffen, ist umso mehr Achtsamkeit und Respekt gefragt. Und eben kein "die machen sich das schon aus...!".

Bitte: Rufen Sie Ihre Hunde zu sich, wenn ein neuer Hund die Hundezone betritt, sprechen Sie sich kurz mit den anderen Hundehaltern ab und seien Sie stets aufmerksam im Beobachten Ihrer Hunde. 99 % der Beißvorfälle passieren, weil Hundehalter Signale verpasst haben oder die Sprache der Hunde einfach noch nicht verstehen. Aber sollte nicht gerade das die Nummer-1-Voraussetzung für eine gute Beziehung sein?

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