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Last-Minute-Tipps gegen Silvesterangst

So wird der Jahreswechsel für Ihren Hund erträglich

Die schlechte Nachricht gleich vorweg: Es ist viel zu spät, die Silvesterangst Ihres Hundes jetzt noch in ein paar Tagen in den Griff zu bekommen. Ich gebe Ihnen hier Last-Minute-Tipps und nenne Maßnahmen, die dazu führen können, dass die Silvesternacht für Ihren Hund in diesem Jahr etwas entspannter wird. Um für Silvester 2018 richtig vorbereitet zu sein, sollten Sie bereits im Jänner mit dem Training und den richtigen Vorbereitungen beginnen.

Da der Leidensdruck und die Motiviation in der Regel in der Zeit um Silvester am höchsten ist, haben wir am 18. Jänner 2018 einen Vortragsabend zum Thema Silvesterangst organisiert. Hier erfahren Sie alles rund um nachhaltige Trainings- und Therapiemöglichkeiten, aber auch, wo Hund und Hundehalter manchmal leider auch klare Grenzen gesetzt sind.

Hier aber nun ein paar, mehr oder weniger kurzfristige, Tipps gegen die Silvesterangst:


KAUEN & LECKEN

Ein großer, saftiger Kauknochen oder ein gefüllter KONG oder Markknochen mit Frischkäse, Leberwurst o.Ä. lenken nicht nur ab, das Lecken und Kauen setzt auch Glücks- und Beruhigungshormone frei, die den Hund automatisch ein bisschen beruhigen – ähnlich wie das Schnullernuckeln eines Babys. Tipp: Im gefrorenen Zustand ist der Hund umso länger mit dem „Leckobjekt“ beschäftigt.

VORHÄNGE ZU, MUSIK AN

Vorhänge und Jalousien am besten frühzeitig schließen. Entspannende Musik, die in höchstmöglicher, aber noch angenehmer Lautstärke läuft, dämpft Knallgeräusche gut ab. Wenn möglich, gerne früh genug mit dem Hund in den Keller gehen. Dr. Deborah Wells von der Queens University in Belfast erforschte übrigens an verschiedenen Tieren, dass klassische Musik nachweislich entspannen würde. Tierheimhunden wurde beispielsweise leichte klassische Musik wie Mozart oder Balladen vorgespielt, welche die Hunde nachweislich beruhigten, wohingegen Popmusik oder das Vorspielen menschlicher Gespräche vom Tonband keine Auswirkung auf die Stimmung der Hunde hatte. Musik von Wagner, Hardrock oder Heavy Metal hingegen riefen wesentlich mehr Stress hervor (Wells 2000).

Die Verhaltenstierärztin Sophie Strodtbeck berichtete kürzlich davon, dass die banale Idee, ihrem Hund etwas Watte in die Ohren zu stecken und diese mit einem Schal und selbsthaftenden Verband um den Kopf zu fixieren, wesentlich zur Entspannung beigetragen hat. Alternativ wären hierzu auch spezielle Ohrenschützer für Hunde denkbar. So einfach die Idee auch wirkt, ich finde sie gut, wenngleich ich aber denke, dass die meisten Hunde dieses „neue Gefühl“ im Ohr und um den Kopf nicht gut aushalten und versuchen werden, Schal & Co. abzustreifen. Einen rechtzeitigen Versuch ist es aber allemal wert.

RÜCKZUG BIETEN

Verkriechen ist an Silvester überall erlaubt (auch wenn der Bereich sonst evtl. verboten ist). Früh genug und richtig aufgebaut, kann auch eine eigene Transportbox eine gut geeignete Höhle für den Hund sein, nicht nur zu Silvester. Krabbelt Ihr Hund plötzlich auf’s Sofa oder ins Bett, lassen Sie das bitte zu. Verstehen Sie es als großes Kompliment an Ihre Mensch-Hund-Beziehung – schließlich sucht der Hund Ihre Nähe und Sicherheit, um zu entspannen.

NÄHE ZULASSEN

Will Ihr Hund sich an Sie kuscheln, lassen Sie das natürlich auch zu. Der Rat, den Hund in einer Angstsituation nicht streicheln zu dürfen, um die Angst nicht zu verstärken, ist mittlerweile längst überholt. Wenngleich es schon wichtig ist, die Situation für den Hund durch übertriebene Aufmerksamkeit nicht weiter besonders zu machen. Ruhe und Gelassenheit auszustrahlen hilft Ihrem Hund, möglichst nichts Außergewöhnliches an der Situation zu finden. Eine sanfte Massage schüttet übrigens nachweislich das Bindungshormon Oxytocin aus. Diese ist allerdings nur dann sinnvoll, wenn Ihr Hund sie auch genießt und nicht dazu genötigt wird. Manche Hunde schätzen es auch, nur gehalten zu werden oder eine Hand, die man ihnen auflegt, um Nähe zu zeigen.

Immer wieder hört man auch vom sog. ThunderShirt®. Es handelt sich dabei im Prinzip um einen engen Body, der dem Hund durch die eher enge Kompression am Körper Sicherheit & Ruhe vermitteln soll, wie es früher mit dem engen Wickeln von Babys gedacht war. Meinem eigenen Hund, der anfangs große Angst vor der Knallerei zu Silvester hatte, hat es scheinbar, natürlich neben anderweitigem, diesbezüglichem Training, geholfen. Mittlerweile, nach vier Jahren an meiner Seite, ist er zu Silvester um Mitternacht völlig entspannt und verschläft meist das ganze Spektakel. Auch hier sei erwähnt, dass Ihr Hund natürlich das Tragen von Mänteln oder Bodies dieser Art gewöhnt sein sollte oder zumindest einwandfrei akzeptieren muss. Andernfalls wäre die Anwendung mehr als kontraproduktiv.

AUSLASTEN & MÜDE MACHEN

Vor Silvester sollte der Hund nochmal bestmöglich ausgelastet werden. Dafür am besten tagsüber raus aus der Stadt, um Geräuschen und Geruch von Knallkörpern bestmöglich zu entkommen. Ist Ihr Vierbeiner dann geistig und körperlich gut ausgepowert, wird er froh sein, Zuhause seine Ruhe zu haben und sich eher weniger mit seiner Angst beschäftigen. Nutzen Sie also beispielsweise kreative Futtersuchspiele, komplexe Apportieraufgaben und ein bisschen körperliches Training, um Ihren Hund richtig müde zu machen. Achtung: Sicherheitshalber sollte das Training bereits jetzt an der Schleppleine stattfinden!

VORSICHT BEI MEDIKAMENTEN

Achtung beim Wirkstoff „Acepromazin“ (z.B. in „Sedalin“, „Vetranquil“, „Calmivet“, „Prequillan“ enthalten): Der Hund wird damit nur körperlich sediert und ist motorisch unfähig, sich gegen die Angst zu wehren, kriegt aber geistig alles mit! Achtung: Manche Tierärzte empfehlen diesen Wirkstoff noch immer. Hunde mit echten Angstzuständen können und sollten in Absprache mit einem guten Tierarzt medikamentöse Unterstützung bekommen. Der Ulmer Tierarzt Dr. Ralph Rückert beschreibt echte Geräusch- und Silvesterangst, die „pharmakologisch gedämpft werden sollte“, wie folgt: „Es geht in erster Linie um Hunde, die an Silvester unter panischen, nicht kontrollierbaren Angstzuständen leiden, also um Tiere, die völlig erstarren, die nur noch zittern, die Harn und Kot unter sich lassen oder erbrechen, die auch durch ein offenes Fenster im dritten Stock springen würden, um der Situation zu entgehen...“. Die Wirkstoffe die in diesen Fällen dann zur Anwendung kommen sollten, sind meist sog. „Benzodiazepine“ – sie wirken angstlösend, können aber auch Nebenwirkungen wie z.B. Enthemmung haben. Daher die Gabe und Dosierung unbedingt genau mit dem Tierarzt des Vertrauens abklären!

PHEROMONE UND NAHRUNGSERGÄNZUNGEN

Hunden, die zwar auch ängstlich sind, aber ihre Angst noch irgendwie kontrollieren können, kann oft mit etwas harmloseren Mitteln geholfen werden. Pheromone sind chemische Botenstoffe in Form von Duftstoffen, die eigentlich der innerartlichen Kommunikation dienen. Das sog. „Dog Appeasing Pheromone“ (DAP) spielt gerade in Bezug auf Stress und Angsttherapie eine große Rolle. In der Welpenzeit wird es von der Mutterhündin in der Zitzenregion produziert und soll auf die Welpen eine beruhigende, sicherheitsgebende Wirkung haben. Die Firma ADAPTIL® stellt dieses Pheromon als einziger Hersteller synthetisch her und schwört auf eine ebenso beruhigende Wirkung bei erwachsenen Hunden. In Form von Steckern, Halsbändern und Sprays kann damit also zumindest ein Versuch der Verbesserung unternommen werden. Zu Silvester empfiehlt ADAPTIL®, konkret mind. 24 Stunden vor der angstauslösenden Situation den Stecker zu nutzen (also im besten Fall schon ein paar Tage vor Silvester, sofern da schon geschossen wird) und für ca. eine Woche anzuwenden. Etwa 2 Stunden vor dem „Hauptereignis“ sollten ADAPTIL® Tabletten verabreicht werden. Diese enthalten keine Pheromone, sondern Nahrungsergänzungen wie z.B. die Aminosäure L-Tryptophan, die als Vorläufer und Türöffner des Stimmungsmachers Serotonin gilt. Auch „Zylkene“-Tabletten werden in diesem Zusammenhang oft genannt und können bei frühzeitiger Gabe Hilfe leisten. 

ALTERNATIVMEDIZIN: Globuli, Bachblüten & Co.

Ich bin ganz ehrlich und glaube hier, wenn überhaupt, an einen Placebo-Effekt, der beim Halter entsteht. Sofern dieser dann zu einer entspannteren Stimmungsübertragung auf den Hund beiträgt, haben auch rituelle Tänze (bitte nur zu Musik von Mozart), Schüssler Salze, Bachblüten und Co. ihre Berechtigung. Angst gehört in der Verhaltenstherapie zu den komplexesten und schwierigsten Themen und ich finde einfach, wenn es DAS Mittelchen gäbe, das wirklich nachweislich dagegen hilft, würde es mit Sicherheit jeder kennen und bei Bedarf nutzen.

DER WICHTIGSTE RAT

Seien Sie ein starker Partner für Ihren Hund. Nicht nur in der Angstsituation selbst, sondern im gesamten Zusammenleben. Nur wenn Ihr Hund Sie auch sonst im Alltag ernst nehmen kann, wird er Ihnen in schwierigen Momenten vertrauen. Wie Sie dazu am besten beitragen? Seien Sie in Ihren Vorhaben konsequent – nur wer wirklich weiß, was er will und dem auch nachgeht, ist glaubhaft. Lassen Sie sich von Ihrem Hund im Alltag nicht zu sehr manipulieren und lenken. So blöd es klingt: Sie machen sich damit, bewusst oder unbewusst, zu seiner Marionette und damit sicher nicht zu einer schutzbietenden Vertrauensperson. Das heißt z.B. auch, dass Sie einer Streichelaufforderung nicht immer einfach nachgeben sollten, sondern selbst entscheiden, wann Aufmerksamkeit stattfindet. Andernfalls geben Sie Ihrem Hund zu verstehen, dass Sie sich an ihm orientieren und nicht umgekehrt. Und gerade in Angstsituationen möchten Sie ja genau das Gegenteil vermitteln.

ALKOHOL - kein Witz

Immer wieder mal darüber gelesen, galt die Verabreichung von Alkohol an einen Hund bisher immer als tierschutzrelevante Untat. Nun hat Tierarzt Dr. Ralph Rückert in einem aktuellen Blogbeitrag ein Tabuthema deutlich relativiert: „Alkohol, von Hunden speziell in Form von Eierlikör sehr gern aufgenommen, ist natürlich - wie wir fast alle wissen - in der korrekten Dosierung ein recht potentes Sedativum mit angstlösender Wirkung. Mein Terrier Nogger (knapp 10 kg schwer) hat letztes Silvester um 20 und um 23 Uhr jeweils einen Esslöffel Eierlikör bekommen, und es hat ihm sowohl sehr gut geschmeckt als auch nach meinem Dafürhalten beträchtlich geholfen. Diese meine Erfahrung wurde mir auch von verschiedensten Seiten genau so bestätigt.“

Alkohol taucht ja immer wieder auf der schwarzen Liste der für den Hund giftigen Lebensmittel auf. Aber auch hier gilt wie immer: Die Dosis macht das Gift. So bestätigt Dr. Rückert: „Hunde fallen von einer begrenzten Menge Alkohol keineswegs tot um, sondern werden - wie wir Menschen - einfach etwas angesäuselt, was in diesem Fall genau der gewünschte Effekt ist. Und Hunde werden auch nicht, wenn sie einmal im Jahr eine minimale Menge Alkohol bekommen, zu Alkoholikern.“

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GANZ WICHTIG: Hunde sollten an und um Silvester vorsichtshalber immer an der (Schlepp-)Leine geführt werden, eventuell sogar doppelt gesichert an Brustgeschirr UND Halsband! Selbst wenn vorher keine Angst bestand - ein überraschender Knall kann immer ein Angstauslöser sein!

Nun wünsche ich Ihnen und Ihren Hunden eine entspannte Zeit und viel Ruhe für den Start ins neue Jahr