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Jagdverhalten bei Hunden - Kurzeinblick in das "Anti-Jagd-Training"

Unerwünschtes Jagdverhalten löst bei vielen Hundemenschen einen grossen Leidensdruck aus. Das "einsame" Stehen im Wald in der Hoffnung, der Hund kommt unverletzt und schnell wieder zurück, lässt für viele Menschen Sekunden zu Stunden werden. Gleichzeitig sind jagdlich stark motivierte Hunde auf dem Spaziergang oftmals nur schwer ansprechbar, was viele Menschen frustriert.

In unserem «hundetrainerischen» Alltag erleben wir viele Hundemenschen, welche mit dem Thema Jagdverhalten im Alltag konfrontiert sind. Nebst den traditionellen Jagdhunderassen, wie bspw. dem Weimaraner, dem Dackel oder dem Magyar Vizsla zeigen auch viele andere Hunderassen Jagdverhalten. So kommen auch Hüte- und Begleithundehalter mit dem Trainingswunsch auf uns zu, der Hund solle nicht mehr selbständig jagen gehen. Damit ein fundierter und individueller Trainingsweg gefunden werden kann, legen wir grossen Wert darauf, dass die Hundemenschen zunächst einmal verstehen, weshalb unsere Hunde überhaupt gerne jagen gehen.

Ursprünglich dient das Jagen der eigenen Ernährung. In aller Regel müssen unsere «Haushunde» nicht jagen, um sich selbst zu ernähren. Jagdliches Verhalten erlernen Hunde – und auch Wölfe – unter anderem spielerisch. So kann man bei jungen Wölfen das Jagen von Vögeln beobachten, um ihre motorischen Fähigkeiten zu verfeinern und diese zu verbessern. Wölfe lernen hingegen ebenso, dass Vögel in der Regel keine Jagdobjekte sind, bei welchen sich eine ernsthafte Jagd und das Verbrauchen entsprechender Energiereserven lohnt. Bei unseren Hunden beobachten wir demgegenüber regelmässig, dass sie es lieben, Vögel zu jagen – dies auch im erwachsenen Alter. Nicht selten beschreiben Hundemenschen das Jagdverhalten ihrer eigenen Hunde anhand des Hinterherlaufens von Vögeln.

Gerade in Bezug auf das Thema «Jagen» zeigt sich der grosse Unterschied zwischen Wölfen und Hunden, die Folgen der Domestikation und der Grund dafür, weshalb Hunde und Wölfe nicht pauschal miteinander verglichen werden können. Es bedarf stets der konkreten Beurteilung eines jeden Einzelfalls.

Nebst der Tatsache, dass Jagdverhalten bis zu einem gewissen Mass ein vererbter und somit fester Bestandteil hündischen Verhaltens ist, hat das Jagen für unsere Hunde in aller Regel keine überlebenswichtige Bedeutung. Vielmehr ist es gar irrelevant, ob die Beute im Endeffekt ergriffen und getötet werden kann oder nicht. Bereits das Hinterherlaufen macht Spass. Jagdliches Verhalten hat für unsere Hunde somit selbstbelohnenden Charakter und wird intrinsisch motiviert ausgeführt – mit anderen Worten: Es macht riesigen Spass, Beute hinterher zu hetzen und diese zu verfolgen.

Die hündische Grundmotivation – das Jagen – kann aus diesen Gründen nicht einfach «gelöscht» werden – auch nicht von uns Hundetrainern. Was können Hundemenschen jedoch tun, wenn ihr Hund unerwünschtes Jagdverhalten zeigt?

Unerwünschtes Jagdverhalten verhindern

Da Jagdverhalten selbstbelohnenden Charakter hat, ist es für den Menschen umso schwieriger, die Aufmerksamkeit des Hundes zu bekommen und ein Alternativverhalten anzubieten, wenn der Hund nebenbei immer wieder selbständige Jagderfolge verzeichnen kann. Daher sollte als allererstes unerwünschtes Jagdverhalten vermieden werden. Erfahrungsgemäss ist jedoch gerade dieser Aspekt der schwierigste für viele Hundemenschen – denn das Vermeiden von unerwünschtem Jagdverhalten bringt das Laufen an der Schleppleine mit sich.

Jagdliches Alternativverhalten und Auslastung

In einem nächsten Schritt empfehlen wir ein jagdliches Alternativverhalten aufzubauen. Hier ist es wichtig, dass individuell analysiert wird, welches Alternativverhalten für welches Mensch-Hund-Team optimal ist. Es sollte eine Alternativbeschäftigung gewählt werden, welche dem Hund Spass macht. Je mehr eine jagdliche Alternative einem Hund Spass macht – er diese also intrinsisch motiviert ausführt – , umso eher wird er sich von einem jagdlichen Reiz umlenken lassen.

Während das optimale Alternativverhalten für den einen Hund das Apportieren ist, so kann es für einen anderen Hund das Suchen, das Hetzen an der Reizangel oder bspw. das gezielte Verfolgen von Fährten sein. Die Möglichkeiten, unsere Hunde jagdlich auszulasten sind unglaublich vielfältig. Schüttelt mein Hund z.B. während dem Apportieren die Beute, so zeigt er Jagdverhalten. Als Hundemensch erfahre ich hierdurch, dass diese Beschäftigung eine adäquate jagdliche Auslastung für meinen Hund darstellt.

Die Befürchtung, dass durch das Anbieten und Ausführen von jagdlichem Alternativverhalten, dem Hund das Jagen erst recht schmackhaft gemacht wird, hindert auch heute noch viele Menschen daran, ein solches mit ihrem Hund zu üben und aufzubauen. Hier stellt sich nun folgender Konflikt: Das hündische Jagdverhalten ist ein fester Bestandteil ihres Verhaltens, eine Grundmotivation, welche selbstbelohnend ausgelebt wird und bis zu einem gewissen Grad genetisch vererbt ist. Verhindert der Mensch dem Hund nun gänzlich diese fest verankerten Bedürfnisse auszuleben, so kann sich als Folge dessen fehlgeleitetes Jagdverhalten entwickeln, wie bspw. das Jagen von Velos oder Autos. Es ist aber möglich, einem Hund beizubringen, dass Jagderfolge nur mit dem Menschen gemeinsam erzielt werden können. Die jagdliche Motivation wird somit nur zusammen mit dem Menschen befriedigt. Nur durch Ausleben der Grundbedürfnisse als «Teamwork» mit dem Menschen kann der Hund ein zuverlässiger und entspannter Begleiter auf dem Feld und im Wald werden.

Während des «Anti-Jagd-Trainings» empfiehlt es sich zusätzlich zum Aufbau von und zur Beschäftigung mit einer jagdlichen Alternative, den Hund körperlich auszulasten. Hier bietet sich bspw. das Velo-Fahren oder Joggen an.  

Reiz-Impuls-Kontrolle

Wenn wir unseren Hunden beibringen wollen, dass das Jagen nur in Zusammenarbeit mit uns Menschen erfolgen darf und der Hund demgegenüber selbständiges Jagen bspw. im Wald unterlassen soll, muss der Hund in der Lage sein, diese anderen jagdlichen Reize aushalten und sich auf die Alternative mit uns Menschen einlassen zu können.

Das Training einer guten Reiz-Impuls-Kontrolle ist beim sogenannten «Anti-Jagd-Training» somit unerlässlich. Viele Menschen machen hier die Trainingsschritte viel zu gross. Bevor mein Hund es schafft, den Reiz eines Vorbeispringenden Rehs im Wald aushalten zu können, muss er/sie in der Lage sein, in einer reizarmen Umgebung einfacheren Reize widerstehen zu können.

Wenn der Hund es nicht schafft im Garten sicher «zu bleiben» während das Lieblingsspielzeug vor der Nase vorbeiflitzt, so liegt es nahe, dass ein vorbeispringendes Reh kaum auszuhalten ist. Vielfach geht beim Reiz-Impuls-Kontroll-Training nebst dem kleinschrittigen Aufbau, die entsprechende Belohnung – nämlich des Aushaltens – vergessen. Ähnliches betrifft das Abstoppen vor Beute. Schafft ein Hund es nicht, auf dem Weg zu einem ausgeworfenen Apportiergegenstand abzustoppen, so wird es schwierig, ein «Sitz», «Steh» oder «Stopp» vor einem davonfliegenden Fischreiher umzusetzen.

Vielfach fällt es uns Menschen schwer, das entsprechende Verhalten unseren Hunden schrittweise beizubringen. Zu Beginn sollte an einem Ort geübt werden, wo keine jagdlichen Reize vorhanden sind. Erst, wenn die Übung dort klappt, sollte man an den nächsten Ort gehen, an dem es etwas mehr Reize hat, bis man es schlussendlich im Wald schafft, wo es viele jagdliche Reize hat.

Körpersprache

Jeder Hund zeigt unterschiedliche körpersprachliche Zeichen auf der Jagd. Die einen schleichen sich an, die anderen heben eine Vorderpfote und die nächsten wittern mit erhobenem Kopf oder halten die Nase in die Luft. Um unerwünschtes Jagdverhalten künftig unterbrechen zu können, ist es daher unumgänglich, dass Hundemenschen lernen, die Körpersprache ihrer Hunde zu lesen. Das frühzeitige Erkennen von Jagdverhalten ist von grosser Wichtigkeit, da ein entsprechendes menschliches Eingreifen nur in den Anfangsphasen des Jagdverhaltens zuverlässig möglich ist.

Rückruftraining

Für das Anti-Jagd-Training ist ein zuverlässiger Rückruf aus allen möglichen Situationen nicht wegzudenken. Bei vielen Mensch-Hund-Teams mit jagdlichen Hunden endet der Rückruf hingegen oft im Hinterherrufen mit der Hoffnung, der Hund drehe wieder um. Der Hund hingegen lernt dabei, dass der Rückruf gar keine Bedeutung hat. Wir empfehlen unseren Kunden in solchen Fällen gerne, ein neues Rückrufwort aufzubauen. Auch hier ist der schrittweise und fundierte Aufbau oft das Wichtigste und Schwierigste zugleich. Ist der Rückruf von einem versteckten Dummy oder von einem Futterbeutel nicht möglich, so wird es bei der flüchtenden Katze ebenso wenig funktionieren.

Kleinschrittigkeit und Geduld

Wenn man sich näher mit dem Jagdverhalten von Hunden auseinandersetzt, so stellt man schnell fest, dass Anti-Jagd-Training allem voran Zeit und Geduld braucht. Einem Hund in wenigen Wochen beizubringen, dass die selbständige Jagd von Wild im Wald unerwünscht ist und er/sie sich stattdessen auf eine Alternative einlassen soll, ist nur selten – wenn überhaupt – möglich. Vielmehr erfordert ein fundiertes Anti-Jagd-Training den erwähnten schrittweisen Aufbau und somit entsprechend auch Zeit und Geduld.

Viele Hundemenschen sind jedoch frustriert – letztlich gibt man sich die beste Mühe und der Hund starrt dennoch unansprechbar in den Wald hinein. Vielfach geht jedoch gerade an dieser Stelle vergessen, dass das Anti-Jagd-Training nicht dort startet, wo es jagdlich ist. Vielmehr muss zuerst in reizarmer Umgebung eine Alternative aufgebaut und diese spannend gemacht werden. Denn nur so ist es überhaupt möglich, dass der Hund sich darauf einlassen kann. Nichts anderes gilt für den Rückruf und die Reiz-Impuls-Kontrolle. Selbst, wenn alle Übungsschritte in reizarmer Umgebung aufgebaut und geübt wurden, heisst das noch nicht, dass sie der Hund zuverlässig in jagdlichen Situationen ausführen kann. Werden die Umgebungsreize schwieriger, so sollte die Übung wiederum einfacher gestaltet werden, damit es der Hund schaffen kann. Wichtig ist hier letztlich, wie die Situation endet. Selbst wenn eine Übung nicht perfekt klappte, empfehlen wir, Geduld zu bewahren, die Übung so fertig zu machen, dass beide – Hund und Mensch – mit einem Erfolg aufhören. Beim nächsten Mal weiss man bereits, dass die vorherige Situation zu schwierig war und kann entsprechend «gegensteuern».

Im unserem hundetrainerischen Alltag erleben wir hingegen ganz oft Hundemenschen, welche ihren Hunden bspw. das Apportieren schrittweise und gut beigebracht haben und daraufhin in einer jagdlichen Situation erwarten, dass der Hund sich nun ohne zu zögern darauf einlässt. Klappt es nicht, geben die Menschen oft auf. Vielmehr wäre doch gerade in solchen Situationen wichtig herauszufinden, warum es noch zu schwierig war. War das Timing des Menschen zu spät? Ist der Hund kurze Zeit später besser ansprechbar und kann sich darauf einlassen? Waren zusätzlich zu den jagdlichen Reizen andere Umweltreize vorhanden, welche den Hund abgelenkt haben?

Individualität gilt auch beim hündischen Jagdverhalten und beim Anti-Jagd-Training. Nicht für jeden Hund ist ein und der selbe Trainingsaufbau gleich gewinnbringend. Die fundierte Ursachenanalyse und das entsprechend individuell abgestimmte Training für den jeweiligen Hund und den Alltag der Hundehalterin/des Hundehalters sind auch hier unumgänglich. Letztlich ist es ja doch die Erkenntnis, welche zu Verständnis führt und dieses wiederum bringt neue Fortschritte mit sich.

 

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