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Ich will nicht zu Hause bleiben!

 Wie man Alleinebleiben richtig trainiert...

Es ist eine der unnatürlichsten Anforderungen an Hunde: einem sozialen Rudeltier beizubringen, alleine zu bleiben. Doch wenn es mal nicht anders geht, sollte Ihr Vierbeiner vorbereitet sein.

Wenn Hunde nicht gut alleine bleiben können, hat dies in aller Regel zwei Ursachen: Entweder leiden sie unter Verlustangst, sprich: Sie haben Angst vor dem Gefühl, alleine zu sein. Etwa wie es ein Kleinkind hätte, wenn Mama oder Papa plötzlich weg sind. Oftmals liegt der Ursprung dieser Angst tatsächlich in einem zu frühen Verlassen der Mutterhündin, etwa durch Tod oder einen Unfall oder weil der Mensch es nicht langsam aufgebaut hat und ihn viel zu schnell zu lange alleine gelassen hat. Dieses Defizit ist häufig kaum wiedergutzumachen und kann nur mit sehr behutsamem, diszipliniertem und geduldigem Training wieder ausgemerzt werden. Manchmal sind dieser Form der Angst im Training aber auch klare Grenzen gesetzt.

Verlustangst und Kontrolle

Die zweite und wohl auch häufigere Ursache des Nicht-Alleinebleiben-Könnens ist der sogenannte "Kontrollverlust". Dabei handelt es sich, im Gegensatz zur Verlustangst, um einen zwar ebenso unangenehmen Zustand für den Hund, der aber daraus resultiert, dass der Hund in eine Art Panik und Überforderung verfällt, weil er seinen Menschen nicht mehr unter Kontrolle weiß. In etwa wie eine Mutter, die vor Sorge verrückt wird, weil ihr Kleinkind sie in der Wohnung eingeschlossen hat und jetzt alleine die Welt erkundet. Der Vorteil an dieser Form ist, dass das Training hier wesentlich einfacher und meist auch etwas schneller vorangeht als bei Verlustangst. Hier geht es nämlich primär darum, erst mal einige Grundsätze in der Mensch-Hund-Beziehung zu klären, bevor es ans eigentliche Training des Alleinebleibens geht. 

Kennzeichen der Ängste

Für beide Varianten gibt es übrigens auch typische Kennzeichen, die häufig genau zutreffen und beschreiben, um welche Form es sich handelt: Bei Verlustangst zeigt der Hund beim Alleinebleiben tendenziell eher Heullaute und auch ein Heulbellen. Dies entstammt dem Chorheulen der Wölfe, die damit das Rudel wieder zusammenrufen beziehungsweise ihre Gemeinschaftlichkeit ausdrücken. Ein Hund, der solche auditiven Laute zeigt, leidet unter extremem Stress und muss dringend aus der Situation "befreit" werden. Ein Hund der unter Verlustangst leidet, zerstört übrigens auch eher den Eingangsbereich, also Türe oder Türrahmen, weil er mit allen Mitteln versucht, hinterherzukommen. Tendenziell zerstört ein Hund mit Kontrollverlust andere Bereiche des Raumes, da er seiner Wut "Luft machen muss" oder gar panisch wird vor "Sorge". Aber auch im Zusammenleben außerhalb des Alleinebleibens zeigen sich häufig verschiedene Erkennungszeichen. Entfernt sich der Mensch z.B. im Alltag aus Hundesicht "unerlaubt", wird er beim Zurückkommen durch ein deutliches Anspringen gemaßregelt. Dies unterscheidet sich im Gegensatz zum beschwichtigenden oder begrüßenden Hochklettern durch deutlich mehr Schwung und kräftigere Stöße durch die Vorderpfoten. Dies ist eine typische Korrektur eines Hundes, der zu viel Verantwortung für seinen Menschen empfindet. Natürlich wird ein solcher Hund auch schier verrückt, wenn sein Halter dann einmal das Haus ganz verlässt. Aber auch stetiges Verfolgen, vor dem Menschen stehen oder liegen, können Indikatoren für zu viel Kontrolle seitens des Hundes und folglich Kontrollverlust beim Alleinebleiben sein. Darauf sollte man reagieren.

So funktioniert das Training

Im ersten Schritt muss immer daran gearbeitet werden, den Hund schon in Anwesenheit des Menschen auf Distanz halten zu können - eben ohne dass er ständig das Bedürfnis empfindet, in unmittelbarer Nähe zu sein. Das gilt übrigens für beide Formen des Nicht-alleinebleiben-Könnens - denn auch ein Hund mit Verlustangst wird sehr gerne an "Mamas Rockzipfel" hängen. Im ersten Schritt sollte also möglich sein, dass der Hund im gleichen Raum auf einer weiter entfernten Decke liegt oder, noch besser, entspannt in einer Faltbox warten kann. Letztere gibt dem Hund tatsächlich oft ein wohliges "Höhlengefühl" und vermittelt ihm Sicherheit, vorausgesetzt, der Hund wurde ganz langsam daran gewöhnt und nicht hineingezwungen. Klappt dies einmal gut, sollte das Alleinebleiben innerhalb der Wohnung schon einmal funktionieren. Sprich: Der Hund bleibt in der Box oder entspannt auf seinem Platz liegend, während der Mensch sich überall frei bewegen kann. Im fortgeschrittenen Training sollte ein Alleinebleiben innerhalb der Wohnung also auch mal ein bis zwei Stunden funktionieren. Erst wenn es zu Hause klappt, kann man auch langsam das Verlassen der Wohnung üben. Hier gilt es vor allem die wichtigen Schlüsselreize abzubauen, die mit dem Weggehen verknüpft sind. Also etwa das Anziehen der Jacke und Schuhe, das In-die-Hand-Nehmen des Schlüssels, aber oftmals auch schon das Fertigmachen im Badezimmer. Es gilt also herauszufinden, was die Schlüsselreize für den eigenen Hund sind, und diese so oft wie möglich darzubieten, ohne dass ein echtes Verlassen folgt. Das kann mitunter bedeuten, dass am Tag bis zu 30 Mal die Jacke an- und ausgezogen werden muss. Erst wenn dem Hund diese Reize egal sind, sollte begonnen werden, in kurzen Sequenzen das Haus zu verlassen und diese Intervalle immer wieder zu erweitern und zu verändern. Dabei ist egal, ob der Hund anfänglich noch winselt oder bellt, er wird beim Gehen und Kommen ignoriert. Er soll lernen, dass auf das Verlassen des Menschen auch immer wieder (anfänglich sehr schnell) ein Kommen folgt und er daher gar keine Mühe mehr aufwenden muss, dies zu kommentieren. Etwa so, wie wenn Sie auf die Toilette oder ins Badezimmer verschwinden. Haben Sie sich nicht schon einmal gefragt, warum dies auch für längere Zeit so unkommentiert möglich ist?

Beschäftigung - ein müder Hund ist ein guter Hund 

Wann immer man auch mit dem Hund das Alleinbleiben trainiert, gilt es, den Hund zuvor richtig auszupowern. Ein körperlich und vor allem auch geistig ausgelasteter Hund ist froh, wenn er sich ausruhen kann, und bestenfalls viel zu müde, um Krawall zu schlagen. Die Beschäftigung mit der Reizangel oder auch mit dem Futterbeutel sind dafür zum Beispiel gut geeignet. Der Hund soll einerseits ordentlich laufen dürfen, andererseits aber auch verschiedene Denkaufgaben lösen müssen. Bevor man dann allerdings wirklich das Haus verlässt, ist es wichtig, noch einige Minuten zu warten, damit man den Hund nicht im Moment der höchsten Erregung alleine lässt. 

Weggehen - kein großes Ding

Übrigens: In der Phase des Trainings wäre es natürlich absolut kontraproduktiv, einen Hund, der so gar nicht alleine bleiben kann, dann zwischendurch wirklich alleine zu lassen. Es sollte also in der Zwischenzeit eine Betreuungsperson geben oder jemanden, der das Tier anderweitig versorgt. Manchen Hunden fällt übrigens das Alleinebleiben im Auto weniger schwer als im Zuhause. Das ist ein spannendes, aber leicht erklärbares Phänomen: Im Auto wird der Motor abgestellt, abgegurtet und zack - fällt die Türe zu. Es wird also nicht so viel Zeremoniell betrieben wie etwa vor dem Ausgehen am Abend. Dazu kommt ja gerne, dass der Mensch vorher Rituale zelebriert und dem Hund noch vor dem Gehen eine Geschichte davon erzählt, dass er bald wiederkomme und er in der Zwischenzeit aufpassen solle usw. Versuchen Sie bitte, dieses Prozedere so unaufgeregt wie möglich zu machen, Ihr Hund wird es Ihnen danken. Übrigens sollte auch das Nachhausekommen kein großer Empfang werden, auch hier sollte der Hund erst ignoriert und nachdem er sich beruhigt hat, begrüßt werden. Es geht dabei schlicht darum, sein Gefühl von "es war ja so schrecklich alleine und ich bin so froh, dass du wieder da bist" nicht weiter zu verstärken. 

Sich selbst positionieren

Letztendlich geht es beim Alleinebleiben, vor allem in puncto Kontrollverlust, wie vorhin schon erwähnt, aber oft um die Mensch-Hund-Beziehung außerhalb der Situation. Wer seinen Hund den ganzen Tag auf einer Sänfte trägt, ihm jeden Wunsch von den Lippen abliest und bei jedem Seufzer reagiert, wird NIEMALS als souveräner Rudelführer ernstgenommen. Ein ranghoher Hund würde immer eher ignorant mit seinen Rudelmitgliedern umgehen, souverän für Sicherheit sorgen und Ruhe ausstrahlen. Ähnlich wie ein guter Chef in der Menschenwelt. Der würde auch niemals von seinen Mitarbeitern ernst genommen, würde er ihnen morgens schon Kaffee servieren und sie mittags mit einer Massage verwöhnen. Achten Sie auf die vielen kleinen Dinge im Alltag, wie etwa ob Ihr Hund dazu neigt, zu viel vor Ihnen zu liegen oder Sie mit dem Auflegen seiner Pfoten zu kontrollieren. Nur ein entspannter Hund, der Regeln und Strukturen kennt, kann auch beruhigt alleine bleiben.

Ein Artikel/Beitrag unserer DOGS-Kollegin Conny Sporrer (Martin Rütter DOGS Wien)