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Halsband oder Brustgeschirr?

Vor- und Nachteile im Überblick

Beim Training mit der Schleppleine sollte immer ein Brustgeschirr verwendet werden.

Neben Ernährungs- und Erziehungsfragen wird auch die Verwendung von Brustgeschirr oder Halsband in der Hundewelt wie eine Glaubensfrage diskutiert. Während die einen Halsbändern bei Hunden als Tierquälerei ächten, werden die Geschirrbefürworter gerne als übersensible Weltverbesserer abgetan. Fest steht: Vielerorts müssen Hunde an der Leine, ob nun am Halsband oder Brustgeschirr befestigt, sicher geführt werden können.

Gleich vorweg sei gesagt: In diesem Beitrag wird es keine explizite Empfehlung oder ein Abraten von bzw. Zuraten zu Halsband oder Geschirr geben. Vielmehr wird die Frage behandelt, in welchem Fall nun ein Brustgeschirr oder doch ein Halsband verwendet werden kann und sollte. Es geht schließlich nicht nur um eine gesundheitliche Diskussion, sondern auch um Aspekte in puncto Verhalten und Erziehung.

Wann sitzt ein Halsband richtig?

Halsbänder sollten mindestens so breit sein wie die Nase des Hundes, der sie trägt. Zu dünne Halsbänder schnüren natürlich ein, Kettengliederhalsbänder sollten gänzlich verbannt werden, weil zusätzlich zum Zug auch noch die vielen feinen Härchen am Hundefell eingezwickt werden. Ein Halsband aus Stoff, Leder oder mit einer Neoprenunterfütterung bietet sich hier als gute Alternative an. Bei der Passform sollte man beachten, dass etwa zwei Fingerbreit unter dem Halsband Platz ist, es aber nicht vom Hund mittels Leinenzug über den Kopf gestreift werden kann. Bei Windhunden gibt es aufgrund der schlanken Kopfform speziell geformte Windhundehalsbänder, um dem einfachen "Rausschlüpfen" entgegenzuwirken. In diesem Fall und vor allem aus Sicherheitsgründen - ich habe in Panikreaktionen schon zu viele Hunde aus Halsbändern schlüpfen sehen - wäre auch ein breites Halsband mit Zugstopp zu empfehlen, welches dann so eingestellt wird, dass es in der äußersten Position nur eng anliegt, den Hund aber keinesfalls würgt.

Ohne Zweifel umgeben Halsbänder eine der wohl sensibelsten Stellen des Hundekörpers - den Hals. Dort befinden sich "wichtige Organe wie die Schilddrüse, der Kehlkopf, die Luftröhre und die großen Halsgefäße". Leinenzieher leiden "durch den Dauerdruck des Halsbands fast immer an einer chronischen Entzündung von Kehlkopf und oberer Luftröhre", so der Ulmer Tierarzt Ralph Rückert.

Apropos: Streng genommen sind Halsbänder in vielen Fällen sogar im österreichischen Tierschutzgesetz verboten. Wer nämlich "einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden" zufügt und "Hilfsmittel oder Vorrichtungen verwendet, die darauf abzielen, das Verhalten eines Tieres durch Härte oder durch Strafreize zu beeinflussen", was mit einem Leinenruck am Halsband sehr schnell der Fall ist, kann nach §5 mit Strafen bis zu 7.500 Euro belangt werden. Seit 2017 sind in Absatz 2 übrigens auch "Halsbänder mit einem Zugmechanismus" wörtlich aufgelistet, die "durch Zusammenziehen das Atmen des Hundes erschweren" und folglich verboten sind.

Wann sitzt ein Brustgeschirr richtig?

Brustgeschirre sind nicht automatisch der Weisheit letzter Schluss. Eine 2006 veröffentlichte Studie der Universität Jena zur Hundefortbewegung, an der etwa 327 Hunde aus 32 Hunderassen teilnahmen, zeigte sogar, dass beispielsweise die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit der Schultern eine sehr wichtige Rolle für ein gesundes Gangbild spielt. Aber auch Passform und Festigkeit sollten nicht unterschätzt werden. Häufig rutscht der Brustgurt auch zu nahe in die Achseln des Hundes, drei Fingerbreit Abstand sollten hier mindestens gegeben sein.

Der eindeutige Vorteil eines Brustgeschirrs gegenüber einem Halsband ist die bessere Druckverteilung. Der Druckschwerpunkt sollte bei Geschirren am Brustbein, also dem "Sternum" vorne, zwischen den beiden Schultern liegen. Bei guten Geschirren ist dieser Punkt extra gepolstert und nicht nur mit einem Ring versehen.

Sogenannte H- oder auch Y-Geschirre (der Name ergibt sich aus der Geschirrform, die man sieht, wenn man von oben auf den Hunderücken schaut) bieten den Schultern also die größtmögliche Bewegungsfreiheit, sofern sie gut passen und richtig eingestellt sind.

"Norwegergeschirre" haben einen eigenen Riemen vorne über das Brustbein und über die Schulter verlaufend, was wiederum zu einer Einschränkung der Bewegung führt. Ein Vorteil an diesen Geschirren ist nur, dass sie relativ komplikationslos angezogen werden können, jedoch der Hund auch umso leichter wieder aus ihnen herausschlüpfen kann.

Wann verwende ich nun lieber ein Halsband, wann besser ein Brustgeschirr?

Ich persönlich rate immer dazu, den Hund grundsätzlich an beides zu gewöhnen, ihn aber auch in der ersten Zeit beides gleichzeitig tragen zu lassen. Man kann damit in Bezug auf die Leinenführigkeit zwei Modi anwenden, die sowohl der Erziehung als auch der Gesundheit des Hundes dienlich sind. Ist die Leine am Brustgeschirr befestigt, darf der Hund ein bisschen ziehen - es darf also Druck entstehen, der ja am Brustgeschirr (sofern es gut passt) keine dramatischen Auswirkungen hat. Trainiert man die Leinenführigkeit, klickt man die Leine in ein breites, gut sitzendes Halsband ein und geht sozusagen in den lockeren Fuß-Modus über. Anfänglich wird so also an einer entspannten Leinenführigkeit gearbeitet, später ist für den Hund durch das Umklicken klar, dass nicht gezogen werden soll - im besten Fall zieht er irgendwann von sich aus gar nicht mehr am Halsband.

Weitere Hilfsmittel gegen das Leinenziehen

Neben den verbotenen Zug- und Stachelhalsbändern haben sich ein paar getarnte Bösartigkeiten unter die Halsbänder und Leinen dieser Welt gemischt, z. B. besonders dünne Moxon- oder Showleinen (eine Kombination aus Halsband und Leine, die Lasso-artig über den Hundekopf gelegt wird), mit denen die Menschen glauben, ein besseres Gehen erwirken zu können, ihrem Hund dabei aber regelmäßig die Luft abschnüren. Verstehen wir uns nicht falsch, ein Hund, der gelernt hat, gut und locker an der Leine zu laufen, kann selbstverständlich mit Moxonleine geführt werden, auch Luftschlangen oder Nähgarn wären dann als Leine erlaubt, weil es ja einfach nicht zum Zug kommt. Verwerflich finde ich nur, Hilfsmittel zu verwenden, die dem Hund ausschließlich zeigen, was er nicht tun soll, anstatt ihm beizubringen, was er tun soll.

Ähnlich verhält es sich mit Kopfhalftern für Hunde, häufig "Halti" genannt. Das sind in manchen Fällen durchaus legitime Hilfsmittel, wenn sie richtig aufgebaut wurden und vor allem richtig angewendet werden. Mit ihrer Hilfe können Hunde, die z. B. durch ihre Kraft oder Körpergröße mit klassischem Halsband oder Geschirr nicht gut gehalten werden können - wenn sie etwa aggressiv auf Artgenossen reagieren -, behutsam umgelenkt werden. Nicht nur einmal habe ich allerdings eine Flexileine, eingeklickt in diesem Kopfhalfter gesehen. Das kann im Ernstfall im Halswirbelsäulen-"Supergau" enden.

Mein bevorzugtes Geschirr für Fälle, in denen das Körpergewicht des Hundes in keiner Relation zu dem des Menschen steht oder einfach verschobene Kraftverhältnisse herrschen, ist ein sogenanntes "Ausbildungsgeschirr", das zwar den Hund keineswegs von selbst leinenführig macht, dem Halter aber die Chance gibt, den Hund endlich wieder vernünftig führen zu können. Hier wird in einem Ring auf Brusthöhe ein Leinenkarabiner befestigt, ein zweiter dann am Rücken. Schnellt der Hund dann in die Leine, wird die Kraft nicht einfach nach vorne übertragen, sondern durch das richtige Halten der Leine auf die Seite umgelenkt. Die unzähligen positiven Rückmeldungen der Hundehalter sprechen eindeutig für dieses Hilfsmittel, wenngleich diese Geschirre oft nicht optimal geschnitten sind bzw. leichter verrutschen können.

Fazit

Bei der Wahl des richtigen Halsbands oder Brustgeschirrs sollten also keineswegs nur optische oder für den Menschen praktische Kriterien zählen. Nach etwaigen gesundheitlichen Auswirkungen sollten auch die erzieherischen Folgen hinterfragt werden. Halsbänder oder Geschirre, die durch Gewalteinwirkung Schmerz erzeugen, sind natürlich nicht nur ethisch inakzeptabel, sondern haben auch keinen nachhaltigen Effekt auf eine gute Leinenführigkeit des Hundes. Es bleibt also einmal mehr dabei: Hundeerziehung ist zwar anstrengend, lohnt sich aber allemal!

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