Die Crufts ist die größte Rassehundeschau der Welt. Und zugegeben, die World Champions, die dort zuletzt gekürt wurden, sehen zumindest rein optisch schon etwas gesünder aus als noch die Vorjahressieger. Und dennoch verstehe ich nicht, wie immer noch durchgehen kann, dass von einigen Rassen bestimmte Aussehensmerkmale verlangt werden, die ganz klar zu körperlichen Behinderungen und massiven Beeinträchtigungen der Lebensqualität führen. Noch viel viel verwerflicher finde ich aber, dass diese Einschränkungen von der Gesellschaft oft ignoriert und bagatellisiert werden. Millionenfach werden in den sozialen Medien Bilder von Hunden geteilt, deren Zunge aus dem Maul hängt, weil sie leider aufgrund der züchterisch erwünschten Kurzköpfigkeit keinen Platz mehr im Hundemaul hat. Da werden Videos geteilt mit lustigen Sprüchen, in denen Hunde mit dem sogenannten Brachycephalensyndrom (Atemwegsprobleme aufgrund der Kurz-/Rundköpfigkeit) im Sitzen einschlafen und dabei immer wieder umfallen. Niemandem fällt dazu ein, dass diese Position oft die einzige Möglichkeit für diese Hunde ist, um gleichzeitig schlafen und atmen zu können, da nur so die Atemwege möglichst offen gehalten werden können. Wie oft höre ich: „Ja, Möpse atmen so!“. Ein Hund der beim Atmen Röchelgeräusche von sich gibt, kämpft mit jedem Atemzug um Luft. Und wer sich das immer noch nicht vorstellen kann, sollte bitte auch nur einen Tag mit einer Wäscheklammer um die Nase verbringen und sich vorstellen wie es ist, als Hund eigentlich bis zu 360 x pro Minute atmen / schnüffeln zu wollen, es aber nicht zu können. Menschen atmen übrigens im Schnitt nur 12 x pro Minute... Die Wurzel allen Übels Das Problem bezeichnet Dr. Irene Sommerfeld-Stur, Expertin für Genetik und Hundezucht, als eine „Kuriosität der Natur“: „Die Knochen des Gesichtsschädels wachsen (Anm. bei kurzköpfigen Rassen wie Mops, Französischer Bulldogge, Cavalier King Charles Spaniel und Co.) langsamer, die Weichteile, wie Haut, Schleimhaut, Gaumensegel und Zunge wachsen normal weiter und sind daher in einem Ausmaß vorhanden, wie es für einen Schädel mit längerer Nase notwendig wäre. Das Zuviel an Haut legt sich in äußere Falten, das Zuviel an Schleimhaut legt sich in innere Falten. Gemeinsam mit dem relativ zu langen Gaumensegel führen diese Schleimhautfalten zu einer massiven Einengung der Atemwege. Verstärkt wird die damit verbundene Luftnot noch dadurch, dass die Nasenöffnungen nur einen schmalen Schlitz darstellen.“ Der Ulmer Tierarzt Ralph Rückert, beschreibt in einem seiner beliebten Blog-Beiträge „einen Moment, der ihm regelmäßig einen kalten Schauer den Rücken runterlaufen lässt“. Nämlich jenen, wenn bei Operationen an Französischen Bulldoggen „und anderen Plattnasen“ ein Tubus gesetzt wird, der ihnen das erste Mal in ihrem Leben das Gefühl gibt, mühelos atmen zu können. So schreibt er weiter: „Ich weiß, dass ich jetzt hemmungslos vermenschliche, aber trotzdem: Zieht man den Tubus dann endlich, sieht man - ich schwöre Stein und Bein - einen Schleier der Resignation und der Enttäuschung über die zuvor fasziniert glänzenden Augen fallen. Es gibt keinen Moment, an dem die lebenslange und immer noch von viel zu vielen Besitzern ignorierte oder gar bewusst geleugnete Qual vieler Plattnasen klarer zum Ausdruck kommt. Leider Gottes ist das ein Moment, den nur wir erleben. ... Man muss sich also wohl seine Gedanken darüber machen, was es bedeutet, wenn ein Hund einen im Hals steckenden Tubus attraktiver findet als seine alltägliche Atmungssituation!“ Und weil’s gerade so gut passt: Er hat in einem anderen Beitrag einen Shih Tzu gezeigt, dem der Augapfel herausfiel, weil er aufgrund der flachen Augenhöhle nur durch die Spannung der Augenlider festgehalten wurde. Auch keine Seltenheit in diesem Zusammenhang. Eine aufwendige Notoperation konnte das Auge wieder retten... Ich könnte leider noch seitenlang über die zahlreichen anderen Probleme der Rassehundezucht berichten, die von fragwürdigen „Schönheitsidealen“ und Rasseideologien handeln. Neben den gesundheitlichen Auswirkungen, gibt es natürlich leider auch jede Menge Defizite in der Kommunikation unter Hunden, die ich in einem anderen Beitrag genauer erläutere. Letztendlich sollte aber klar sein, dass ein Hund dessen Gesicht schon im entspannten Zustand von unzähligen Falten geprägt ist, leider niemals die Möglichkeit haben wird, Mimik zu zeigen, geschweige denn von anderen Hunden richtig verstanden werden kann. Was tun? Das österreichische Tierschutzgesetz (unten finden Sie unsere Anmerkungen zum deutschen Tierschutzgesetz) gibt seit einigen Jahren sogar einen „Qualzuchtparagraphen“ vor: „Gegen das Gesetz verstößt, wer Züchtungen vornimmt, bei denen vorhersehbar ist, dass sie für das Tier oder dessen Nachkommen mit Schmerzen, Leiden, Schäden oder Angst verbunden sind (Qualzüchtungen), sodass in deren Folge im Zusammenhang mit genetischen Anomalien insbesondere eines oder mehrere der folgenden klinischen Symptome bei den Nachkommen nicht nur vorübergehend mit wesentlichen Auswirkungen auf ihre Gesundheit auftreten oder physiologische Lebensläufe wesentlich beeinträchtigen oder eine erhöhte Verletzungsgefahr bedingen: a) Atemnot, b) Bewegungsanomalien, c) Lahmheiten, d) Entzündungen der Haut, e) Haarlosigkeit, f) Entzündungen der Lidbindehaut und/oder der Hornhaut, g) Blindheit, h) Exophthalmus, i) Taubheit, j) Neurologische Symptome, k) Fehlbildungen des Gebisses, l) Missbildungen der Schädeldecke, m) Körperformen bei denen mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden muss, dass natürliche Geburten nicht möglich sind, oder Tiere mit Qualzuchtmerkmalen importiert, erwirbt, vermittelt, weitergibt oder ausstellt…“ (§5 (2) 1.) Alleine die Haltung solcher Hunde ist also gesetzlich verboten. Nun kennen wir aber alle den ein oder anderen Vierbeiner mit erwähnten Defiziten. Und natürlich kann auch die sofortige Euthanasie dieser Tiere keine Lösung sein. Vielmehr sollte im ersten Schritt einmal Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass mit bestimmten Rassen gewissermaßen immer kranke Tiere gekauft oder gezüchtet werden und dies nach dem Tierschutzgesetz schlicht verboten ist. Außerdem sollte das Gesetz verschärft und dafür gesorgt werden, dass ab sofort auch tatsächlich verboten wird, kranke und leidende Hunde in die Welt zu setzen. Würden einige Züchter, Formwertrichter und Rasseliebhaber die Traute besitzen, sich von alteingesessenen Rasseideologien und -standards zu verabschieden und wirklich Herz und Verstand für Hunde zeigen, ließe sich das Problem leicht lösen. Wenn auch an manchen Stellen mit der Erkenntnis, dass es einzelne Rassen dann in der altbekannten Variante nicht mehr geben kann... Anmerkungen zum deutschen Tierschutzgesetz Nach § 11 b des deutschen Tierschutzgesetzes ist die Qualzucht von Hunden ebenfalls verboten, jedoch werden, im Gegensatz zum österreichischen Tierschutzgesetz die erblich bedingten Verhaltensstörungen und Veränderungen bisher noch nicht genau definiert. „(1) Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten oder durch biotechnische Maßnahmen zu verändern, soweit im Falle der Züchtung züchterische Erkenntnisse oder im Falle der Veränderung Erkenntnisse, die Veränderungen durch biotechnische Maßnahmen betreffen, erwarten lassen, dass als Folge der Zucht oder Veränderung 1. bei der Nachzucht, den biotechnisch veränderten Tieren selbst oder deren Nachkommen erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten oder 2. bei den Nachkommen a) mit Leiden verbundene erblich bedingte Verhaltensstörungen auftreten, b) jeder artgemäße Kontakt mit Artgenossen bei ihnen selbst oder einem Artgenossen zu Schmerzen oder vermeidbaren Leiden oder Schäden führt oder c) die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden führt. (2) Die zuständige Behörde kann das Unfruchtbarmachen von Wirbeltieren anordnen, soweit züchterische Erkenntnisse oder Erkenntnisse, die Veränderungen durch biotechnische Maßnahmen betreffen, erwarten lassen, dass deren Nachkommen Störungen oder Veränderungen im Sinne des Absatzes 1 zeigen werden. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für durch Züchtung oder biotechnische Maßnahmen veränderte Wirbeltiere, die für wissenschaftliche Zwecke notwendig sind. (4) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates 1. die erblich bedingten Veränderungen und Verhaltensstörungen nach Absatz 1 näher zu bestimmen, 2. das Züchten mit Wirbeltieren bestimmter Arten, Rassen und Linien zu verbieten oder zu beschränken, wenn dieses Züchten zu Verstößen gegen Absatz 1 führen kann.“