Australian Shepherd – unterschätzter Modehund?
Diese Hunderasse ist inzwischen beinahe eine Art Modeerscheinung geworden, immer mehr Menschen und insbesondere Familien halten einen Shepherd zu Hause und werden im Alltag nicht selten mit Problemen konfrontiert.
Stephanie Cramer betreibt ihre DOGS Hundeschule in Bochum und lebt mit einer Mini Australian Shepherd Hündin zusammen. Wir haben sie gefragt, welche Gedanken man sich vor der Anschaffung dieser Hunderasse machen sollte, wie man ihr gerecht werden und eine harmonische Mensch-Hund-Beziehung erreichen kann.
Viele Menschen liebäugeln mit einem Australian Shepherd. Wie erklärst Du es, dass diese Rasse eine Art Modehund geworden ist und wie würdest Du die Rasse beschreiben?
Schönheit gepaart mit Intelligenz und Lebendigkeit – Es ist herrlich anzusehen, wenn der Aussie im Bach tobt und über die Wiese saust oder mit großer Aufmerksamkeit Aufgaben erfüllt. Echte Hingucker sind die prächtigen Fellzeichnungen des Aussies, die leider oft genug der Grund sind, warum sich Menschen einen Shepherd anschaffen. Doch das Aussehen sollte niemals an erster Stelle stehen, wenn man sich für eine Hunderasse bzw. für einen Hund entscheidet. Viel wichtiger sind die spezifischen Rasseneigenschaften sowie der individuelle Charakter eines Hundes, denn diese müssen zu den jeweiligen Menschen und deren Lebensumfeld passen! Eine Zeitlang wurde der Australian Shepherd als der „Border Collie light“ angesehen. Hintergrund war der Gedanke, dass der Aussie leichter zu halten sei als ein Border Collie. Diesen Rückschluss kann man jedoch keinesfalls ziehen, denn Australian Shepherd und Border Collie zählen zwar beide zu den Hütehunden und sehen sich auch durchaus ähnlich, sind jedoch vom Wesen und Charakter her vollkommen unterschiedlich. Dies liegt daran, dass die Rassen ursprünglich vollkommen unterschiedliche Einsatzgebiete hatten bzw. auch heute noch haben: Der Border Collie war als sogenannter Koppelgebrauchshund dafür zuständig, die Schafe aus der Distanz über die Weiden zu bewegen. Dabei musste er durchaus selbstständig arbeiten, sich aber immer auch vom Schäfer lenken lassen. Typisch ist die geduckte Körperhaltung mit fixierendem Blick, die Hunde arbeiten in der Regel lautlos. Der Australian Shepherd dagegen war vielmehr ein Allrounder, ein Farmhund, der zwar auch zum Hüten eingesetzt wurde, jedoch sehr häufig auch Rinderherden vor sich her treiben musste. Der Aussie durfte daher durchaus auch einmal nach vorne gehen und das Rind mit Körpereinsatz, leichten Bissen in die Fersen und lautem Gebell weiter treiben. Daraus ergibt sich, dass der Shepherd viel körperlicher als der Border Collie ist und sich auch heute noch gerne einmal mit ganzem Körpereinsatz durchzusetzen versucht. Da er häufig auch zur Bewachung der Farmen eingesetzt wurde, ist er zudem sehr wachsam und territorial sowie misstrauisch gegenüber Fremden. In der Einsamkeit der australischen Farmen gab es außerdem nur wenig Reize, sodass der Aussie schnell auf alle möglichen Reize reagiert, er hat eine sehr niedrige Reizschwelle.
Dennoch, es macht Spaß mit einem Shepherd zu arbeiten – vergleichbar mit einem leicht lernenden Kind. Denn eines ist der Shepherd eigentlich immer: Er ist intelligent und verknüpft sehr schnell. Aber: Herrchen und Frauchen sind dadurch ebenfalls stark gefordert bei der Erziehung und Beschäftigung ihres Hundes, denn der Shepherd lernt nicht nur die an ihn gestellten Aufgaben sehr schnell! Daher muss der Mensch beim Training und im Umgang mit dem Shepherd immer sehr aufmerksam sein, sonst hat der Aussie auf einmal genau das Gegenteil von dem gelernt, was eigentlich beabsichtigt war. Ein Shepherd braucht also von Anfang an geistige und körperliche Auslastung. Sonst passiert es schnell, dass er auf dumme Ideen kommt. Doch viel wichtiger ist es noch, dass der Aussie lernt, einfach auch einmal nichts zu tun bzw. auf Reize nicht zu reagieren. Abschalttraining sowie einfach nur ruhig sein und warten können sind damit die wichtigsten Übungen, die von Welpe an das Training des Aussies bestimmen sollten!
Was muss man bei der Anschaffung dieser Rasse beachten und welche Anforderungen müssen Menschen für ein harmonisches Mensch-Shepherd-Hund-Team erfüllen?
Natürlich muss der Mensch erst einmal einfach Spaß an der Beschäftigung mit seinem Hund haben. Wer einen Hund ausschließlich für lange Spaziergänge oder als Joggingpartner sucht, wird mit dem Shepherd mit Sicherheit nicht glücklich, genauso wenig wie der Shepherd mit ihm. Ein Anfängerhund ist ein Shepherd aufgrund seines Charakters und seiner meist großen Intelligenz jedoch auch nicht. Der Halter sollte bereits Erfahrungen mit der Haltung von Hunden gesammelt bzw. sich intensiv über diese Rasse und deren Besonderheiten, gerade auch in Bezug auf eine Haltung als Familienhund, informiert haben. Zwar schließt sich der Aussie eng an seine Familie an und ist immer bereit für ein gemeinsames Training, doch in unserem Alltag ergeben sich aufgrund seines Charakters oft Probleme, denn die wenigsten Menschen hier in Deutschland leben auf einer Farm mit hektargroßen Landflächen. Der Aussie muss sich heutzutage also an die vielen Reize unserer Zivilisation gewöhnen. Er muss akzeptieren, dass fremde Menschen den Garten und das Haus wie selbstverständlich betreten und er ständig auf andere Artgenossen trifft. Zudem muss er lernen, dass es keine Dauerbespaßung für ihn gibt, neben dem regelmäßigen Training sind Ruhephasen also unerlässlich.
Bei der Anschaffung eines Australian Shepherds finde ich eine Frage daher besonders wichtig: "Aus welchem Stall kommt er?" Ich würde immer von einem Welpen abraten, der „idyllisch“ auf einem einsamen Bauernhof seine ersten acht Wochen verbracht hat. Es ist immer gut, wenn ein Welpe möglichst früh viele Reize kennenlernt, beim Shepherd jedoch kommt diesem Punkt eine besondere Bedeutung zu. Der Aussie-Welpe muss von klein an Kontakt zu vielen freundlichen Menschen haben sowie die unterschiedlichsten Reize, angefangen von lauten Geräuschen über wehende Planen bis hin zu Alltagsreizen wie der laufenden Spülmaschine oder Autoverkehr, kennenlernen. Wächst der Welpe jedoch beschaulich ländlich auf und der Welpenkäufer nimmt ihn dann mit in die Stadt, kann der sensible Shepherd die vielen fremden Reize, mit denen er konfrontiert wird, häufig sehr schlecht verarbeiten. Dies kann dann zu Aggression und Angst beim Hund führen. Damit der Aussie als erwachsener Hund keine Probleme gegenüber fremden Menschen zeigt, muss die gute Welpenprägung sowie -sozialisation des Züchters vom Welpenkäufer aber auch fortgeführt werden. In kleinen Schritten zeigt der Mensch dem Aussie die Welt, ohne diesen zu überfordern. Reagiert der Aussie mit Unsicherheit oder zeigt er territoriales Verhalten, muss der Halter dies im Ansatz bereits erkennen und darauf entsprechend reagieren. Denn nur wenn der Aussie sich bei seinem Menschen sicher fühlt, wird er sich an diesem orientieren und ihm territoriale Entscheidungen bzw. Aufgaben überlassen. Hält man sich daran, kann auch beim erwachsenen Shepherd weiterhin Besuch nach Hause kommen, ohne dass es Probleme gibt. Insbesondere für Besitzer dieser Rasse ist es daher wichtig, die Körpersprache und Kommunikation der Hunde lesen zu können. Von Anfang an sollten zudem Regeln aufgestellt und konsequent eingehalten werden. Ist der Welpe im neuen Zuhause eingekehrt, neigen wir Menschen dazu, ihn erst einmal ankommen lassen zu wollen. Leider ist genau das falsch! Der Aussie muss von Anfang an wissen, woran er ist. Nur so wird er sich an seiner neuen Familie orientieren.
Mit welchen Problemen kommen Hundehalter dieser Rasse bzw. von Hütehunden häufig in Deine Hundeschule und was rätst Du Deinen Kunden? Worauf sollte beim Training geachtet werden?
Wie bereits geschrieben zeigt der Aussie häufig Probleme, die in dieser Ausprägung bei anderen Hütehundrassen nicht vorkommen. Zwar gibt es auch beim Aussie genauso wie z.B. beim Border Collie Probleme, wenn dieser nicht ausreichend ausgelastet wird bzw. nicht gelernt hat, Reize auszuhalten und zur Ruhe zu kommen. Das häufigste Problem beim Australian Shepherd ist jedoch Aggression aus Angst oder Unsicherheit. Leider kommen daher nicht selten Menschen mit einem Shepherd in meine Hundeschule, die Probleme aufgrund eines Beißvorfalls haben. In diesem Fall steht natürlich an erster Stelle, weitere Vorfälle zu vermeiden, die Sicherheit von Mensch und Hund muss in jedem Fall gewährleistet werden. In einem ersten Schritt wird der Hund z. B. an einen Maulkorb gewöhnt, sodass die Menschen wieder entspannt mit ihm umgehen können. Neben einer gezielten Auslastung steht dann häufig Abschalttraining auf dem Trainingsplan. Zudem muss der Mensch territoriale Verantwortung übernehmen. Nur so kann der Aussie lernen, dass nicht er für die Bewachung und Sicherung des Hauses zuständig ist.
In der Regel hält man keine Schafsherde zu Hause, die der Hund hüten kann. Wie werde ich der Rasse trotzdem gerecht und wie kann ich den Aussie beschäftigen?
In der Tat liegt hier ein großes Problem bei der „privaten“ Haltung von Hütehunden! Apportierhunde kann man – anstatt sie mit zur Entenjagd zu nehmen – auch mit Apportierübungen mit Dummys auslasten. Schweißhunde lassen sich begeistert auf ein Fährtentraining oder Mantrailing ein, Windhunde dürfen einem Gegenstand an der Reizangel hinterher hetzen und Treibhunde haben Spaß daran, den Treibball durch die Gegend zu schubsen. Für alle diese ursprünglichen Veranlagungen von Hunden gibt es alternative Beschäftigungsmöglichkeiten, im Gegensatz zum Hüten, da hierbei immer auch Lebewesen notwendig sind, die gehütet werden. Soll der Hütehund daher nicht an der Herde eingesetzt werden, sollte man darauf achten, dass er nicht aus einer Leistungszucht kommt. Einige Hütehundbesitzer kommen nun auf die Idee, mit ihrem Hütehund Hüteseminare zu besuchen, um ihrem Hund so wenigstens ab und an die Gelegenheit zum Hüten zu geben. Hiervon kann man jedoch nur abraten. Zum einen fördert man damit die Veranlagung des Hundes, zum anderen sind für die Ausführung dieser „Beschäftigung“, wie zuvor bereits geschrieben, andere Lebewesen notwendig. Natürlich muss ein Hütehund, der später an der Herde arbeiten soll, ausgebildet werden. Ein Training mit Schafen zu diesem Zweck ist daher ethisch und moralisch vertretbar. Nur zum Spaß und damit der Hütehund „wenigstens einmal in seinem Leben hüten darf“ sollte man meiner Meinung nach jedoch kein Tier dem Stress, der beim Hüten zwangsläufig entsteht, aussetzen.
Auch wenn man also das Bedürfnis des Hütehundes, andere Lebewesen zu hüten, nicht erfüllen kann, gibt es dennoch viele Beschäftigungsformen, bei denen der Hütehund begeistert mitmacht. Wichtig ist dabei, dass er geistig aktiv sein und mit seinem Menschen zusammen arbeiten kann.
Wie für viele andere Hunde auch, ist für Shepherds daher das Apportieren eine gute Auslastung. Die Aufgaben sollten abwechslungsreich und komplex gestaltet werden, damit es dem Shepherd nicht langweilig wird. Distanztraining bietet sich ebenso an, weil dabei der Lauftrieb des Hundes angesprochen und die Zusammenarbeit auf Distanz geübt wird und auch Treibball kommt gerade dem Shepherd aufgrund seiner eher robusten Arbeitsweise sehr entgegen. Sehr viele Shepherds lieben es, immer wieder neue Tricks zu erlernen wie z. B. „Pfötchen“, „Rolle“, „Stell dich tot“, „Dreh dich“, „Türen schließen“ oder „Licht anmachen“. Und natürlich lieben die meisten Shepherds Agility! Bei diesem Hindernislauf sind sie ganz in ihrem Element und können ihre besonderen Fähigkeiten dabei gut unter Beweis stellen. Sie reagieren höchst aufmerksam auf kleinste Signale ihres Menschen und wechseln in rasanter Geschwindigkeit die Richtung. Nach Abschluss des Parcours gibt es dann das verdiente und ersehnte Lob – ein gemeinsamer Spaß für das Mensch-Hund-Team.
Aber auch an dieser Stelle möchte ich noch einmal betonen, dass Shepherds nicht nur Aktivität brauchen. Von Anfang an sollte man daher alle Trainingsformen in Ruhe aufbauen und Wert darauf legen, dass der Shepherd immer für seinen Menschen ansprechbar ist. Pausen gehörten in jedes Training mit dem Aussie dazu. Nichts ist wichtiger, als dass der Aussie lernt, wann Aktivität gefragt ist und wann er abschalten und entspannen kann bzw. soll.
Sind Australian Shepherds auch für Familien mit Kindern geeignet?
Der Shepard ist nur bedingt ein Familienhund. Schwierig wird es vor allem dann, wenn Kleinkinder zur Familie gehören, da die Rasse allgemein eine niedrige Reizschwelle besitzt. Kleine Kinder können Hunde jedoch noch nicht so gut lesen. Sie bemerken nicht, wann ein Hund angespannt ist und sie sich besser zurückziehen sollten. Generell gilt natürlich immer, dass man Hunde niemals unbeaufsichtigt mit kleinen Kindern lassen darf. Kleinkinder sind motorisch noch ungeschickt. Schnell ist es passiert und das Kind stolpert bei den ersten Laufversuchen über den Hund oder hält sich wackelnd an ihm fest und greift mit der Faust kräftig ins Fell. Der auf geringe Reize reagierende Shepherd wird dieses Verhalten des Kindes unter Umständen dann schnell mit einer körperlichen Reaktion korrigieren, es kommt zu einem Abwehrschnappen, welches für das Kind zumindest unangenehm ist und im schlimmsten Fall auch mit einer Verletzung einher gehen kann.
Natürlich heißt dies nicht, dass ein Shepherd sich niemals als Familienhund eignet, doch die Anschaffung eines Shepherds sollte, wie im Grunde genommen jede Anschaffung eines Hundes, immer genau bedacht werden. Solltest Du mit dem Gedanken spielen, Dir einen Australian Shepherd anzuschaffen, berate ich Dich gerne. Gemeinsam überlegen wir, ob ein Shepherd zu Dir und Deiner Familie passt. Im Anschluss daran erfährst Du, wie Du den Alltag mit Deinem Shepherd am besten gestaltest, damit Probleme gar nicht erst entstehen.
Aktionstag „Shepherds unter sich“!
Hier treffen sich nur Shepherd-Mensch-Teams. Wir spielen mit der Intelligenz unserer Hunde und trainieren „zirkusreife“, spaßige Tricks, für die Dein Shepherd Zuhause Applaus ernten wird.
Wann: 18.11.2018 (14:00 bis 18:00 Uhr)
Wo: Bochum
Infos & Anmeldung: www.martinruetter.com/bochum