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Darf’s ein bisserl mehr sein? Über Sinn und Unsinn von Mehrhundehaltung

Ganz eindeutig geht der Trend der letzten Jahre zur Haltung von zwei oder mehreren Hunden. Diese Tendenz bringt viele Vorteile mit sich, kann aber mindestens genauso viele Nachteile bergen, die es - je nach Lebenssituation abzuwägen gilt. Worauf also unbedingt zu achten ist und wann Mehrhundehaltung überhaupt infrage kommt, ist hier Thema.

Die  meisten  Hundeliebhaber  können  gar  nicht  genug  von  Hunden  kriegen.  Die  unterschiedlichen Wesenszüge,  Charaktereigenschaften,  Temperamente, aber auch Formen und Farben der Hunde machen jedes Tier zu einem Unikat und damit umso interessanter für Hundefreunde. Daher ergeben sich manchmal sehr unterschiedliche Kombinationen, z. B. Dogge und Malteser, oft  aber  auch  sehr  ähnliche Zusammensetzungen,  vor allem wenn man sein Herz an eine bestimmte Rasse verloren hat. Dennoch gilt es, wie auch bei der Anschaffung des Ersthundes, auch bei weiteren Vierbeinern sorgfältig zu überlegen, welcher Hund tatsächlich geeignet ist, um das Rudel zu bereichern. Diesmal müssen allerdings nicht nur die Bedürfnisse und Vorlieben der Menschen beachtet werden, sondern auch jene der bereits im Rudel lebenden Hunde. 

FRAGEN VOR DER ANSCHAFFUNG EINES ZWEITHUNDES

Als erstes müssen sehr rationale Fragen gestellt werden. Zum Beispiel die Frage, wer die Hauptbezugsperson des neuen  Hundes  sein  soll.  Gibt  es  eine  Aufgabenverteilung oder ist die Hauptbezugsperson des ersten Hundes auch vollumfänglich für den zweiten zuständig? Wenn ja, gilt es hier natürlich zu bedenken, dass diese dann auch doppelt so viel Zeit aufbringen muss. Gerade in den ersten Monaten sollten Trainings, aber auch Spaziergänge getrennt stattfinden, damit der neue Hund lernt, sich an seinem Menschen zu orientieren und nicht, was aus Hundesicht  natürlich  naheliegender  wäre,  an  seinem Artgenossen.  

Kinder  sollten  aus  verschiedenen  Gründen keinesfalls als Hauptbezugsperson in Betracht gezogen werden (siehe Weblinks). Dazu kommt auch die Frage  der  finanziellen  und  räumlichen  Situation. Ein kleiner Hund kostet im Unterhalt weniger als ein großer, aber dennoch können unerwartete Tierarztkosten oder Kosten  für Hundetraining  anfallen.  Zwei  Hunde  benötigen auch zwei verschiedene Liegeplätze, damit jeder einen eigenen Rückzugsort hat. Auch im Auto müssen zwei Hunde sicher untergebracht werden können. Und dann stellt  sich  noch  die  Frage,  wer  überhaupt  zwei Hunde  im  Urlaub  oder  in  einer  Notfallsituation  (z.  B. Krankenhausaufenthalt) übernehmen kann oder welche Möglichkeiten es gibt, zwei oder mehrere Hunde in den Urlaub mitzunehmen. Je mehr Hunde angeschafft werden, desto mehr Klärungsbedarf haben all diese Fragen.

DER RICHTIGE ZEITPUNKT

Die allerwichtigste Grundregel ist: Die Beziehung der im Rudel lebenden Hunde zu ihren Menschen muss völlig geklärt sein, sprich: Es darf keine Probleme mehr geben. Natürlich ist die Definition von „Problem“ immer eine Frage  des  Leidensdrucks  der  Halter,  aber  spätestens wenn  der  neue  Hund  einzieht, multiplizieren sich die vorher mit Augenzwinkern unter den Teppich gekehrten Themen meistens. Deshalb gilt: Wenn der Ersthund immer noch seine Grenzen austestet, aggressiv mit Artgenossen oder Menschen ist, an der Leine zieht oder nicht zurückkommt, wenn Du ihn rufst, dann solltest Du erst (am besten mithilfe eines Profis) die Erziehung des ersten  Hundes  in  Angriff  nehmen.  Natürlich  sind Hunde keine Maschinen und können nicht immer „funktionieren“. Dennoch solltest Du bei allen Problemchen, die es gibt, immer die Auswirkungen im Kopf haben, die ein Zweithund dann mit sich bringt. Denke also bitte niemals, dass ein weiterer Hund bestehende Probleme lösen könnte. Eher vergrößert er sie noch.

WELCHER HUND PASST?

Sind alle Fragen geklärt und alle Probleme gelöst, geht es  nun  zur  wichtigen  Frage,  welcher  Hund geeignet ist, um das Rudel zu bereichern. Immer wieder erlebe ich Fälle, in denen es zur Trennung von einem Rudelmitglied kommen muss, weil die Auswahl vorher nicht sorgfältig genug getroffen wurde. Es gibt übrigens auch Hunde,  die  ohne  einen  weiteren  Artgenossen  glücklicher  leben  bzw.  einfach  keinen Zweithund  brauchen, auch diese Tatsache sollte man bei seiner Entscheidung berücksichtigen. Wenn es aber eine feste Entscheidung gibt, dann wäre da zunächst die Frage des passenden Geschlechts. Generell gilt eher die Empfehlung zu gleichgeschlechtlichen Partnern, erst einmal unabhängig davon, ob die Hunde kastriert sind oder nicht. Dies hat den einfachen Grund, dass  in  einer  Rüde-Hündin-Konstellation  naturgemäß eine Pärchenbildung entsteht, was wiederum zur Folge hat, dass Rüden eher extern (also für draußen) zuständig sind  und  Hündinnen  intern  (also  zu  Hause)  nach dem Rechten sehen. So altmodisch diese Variante klingen  mag,  so  natürlich  ist  sie  nun  einmal  bei  Hunden. Es besteht also immer das Risiko, dass ein Rüde, ob er der  Aufgabe  gewachsen  ist  oder  nicht,  Verantwortung für seine Hündin übernimmt und die Hündin dies auch von ihrem Rüden erwartet. Dennoch muss man sich natürlich jeden Hund individuell ansehen: Es gibt Hündinnen, die sich selbst in ihrem Status sehr hoch sehen und andere Hündinnen deswegen kaum akzeptieren, genauso kann es umgekehrt bei zwei Rüden aussehen.

Hier wäre ein gegengeschlechtlicher Partner wiederum eher sinnvoll. Allgemein ist dieses Thema aber komplexer zu betrachten, da es viele unterschiedliche Hunde und Voraussetzungen gibt. Am allerbesten beraten sie sich mit einem Profi über die gewollte Zusammenstellung, gute Hundetrainer  bieten  an,  sich  die  gewünschte Konstellation  vor  der  Zusammenführung  anzusehen  und  eine Einschätzung abzugeben. Immer  wieder  werden  auch  Geschwisterpaare  aufgenommen. Ein Züchter, der dies anbietet, ist als unseriös zu bezeichnen. Gleichaltrige Hunde, die noch dazu auch eine  familiäre  Verbindung  haben,  werden sich  immer eher  aneinander  orientieren.  Dazu  kommt  der  große Nachteil, dass dann zwei Hunde von Grund auf erzogen werden müssen und nicht nur einer.

Was die Altersunterschiede angeht, so sollten diese nicht zu groß sein. Für einen älteren Hund kann es sehr belastend und anstrengend sein, einen nervenden Welpen mitzuerziehen. Oft wird dies von den Menschen falsch bewertet, sie denken dann, dass der alte Hund eine Art „zweiten  Frühling“  erlebt.  In  Wahrheit  ist er aber nur gestresst und damit beschäftigt, den kleinen Racker in die  Schranken  zu  weisen.  Im  Optimalfall kommt also ein Welpe eher zu einem  bereits erwachsenen  Hund, der  mindestens  zweieinhalb  Jahre  sein sollte. Soll ein bereits erwachsener Hund einziehen, gibt dies in der Regel die wenigsten Probleme. Ist der Ersthund jünger, wird der ältere Hund unter Umständen Respekt von dem Jüngeren verlangen, was wiederum zu Diskrepanzen führen könnte, weil ja bisher der Ersthund die Nummer 1 war.

Aber auch hier gilt wieder: Ist die Mensch-Hund-Beziehung vorab geklärt, ist es der Mensch, der vieles im Rudel regelt und auch für Harmonie sorgen sollte. Zuletzt soll hier noch auf rasse- und typspezifische Unterschiede eingegangen werden. Auch wenn es im ersten Moment unlogisch erscheint: Für Hund und Mensch ist es  sinnvoller,  zwei unterschiedliche  Rassen  bzw.  Hunde  mit  verschiedenen  Ambitionen  und Veranlagungen aufzunehmen. Bei zwei Hunden mit ähnlichen Interessen  und  Prioritäten  kann  es häufiger Konflikte  geben, z. B. Streit um Futter, Spielzeug, wer darf als erster zur Türe stürmen usw. Oder die Hunde schließen sich zu einer Art Interessensgemeinschaft zusammen, werden 1a-Jagdpartner, gehen Schulter an Schulter durch den Park, um andere Hunde aufzumischen, oder Ähnliches. Daher macht es durchaus Sinn, eher gegensätzliche Typen auszuwählen. Oft stellen diese sogar eine Bereicherung füreinander dar, z. B. wenn der aktivere Hund den anderen auch mal motiviert  und  der  faulere  der  beiden auch  mal  Ruhe  ins Zusammenleben bringt. Die Vorteile, die für den Halter entstehen, sind somit wohl auch erklärt.

Wichtig: Auch wenn zwei unterschiedliche Hunde empfohlen werden, sollten sie körperlich bezüglich Gewicht und Kraft zueinanderpassen. Lebt ein eher großer mit einem eher kleinen Hund zusammen, kann es – oft auch nur unbeabsichtigt – zu Verletzungen kommen. Obwohl Hunde  im  Allgemeinen  die  unterschiedlichen Verhältnisse einschätzen können, kommt es immer wieder zu Situationen,  in  denen  kleinere,  aber  auch schwerwiegende Unfälle passieren.

 

Du siehst also, alles in allem ist die Entscheidung über den  passenden  Zweithund  nicht  im  Vorbeigehen zu treffen. Viele  Aspekte müssen wohlüberlegt sein. Wer aber  alles  beachtet  und  den  richtigen  Partner  für seinen Hund gefunden hat, wird fasziniert sein: Vertraute Hunde  zeigen  innerhalb  des  Rudels  oft Kommunikationsformen, die Du mit fremden Hunden so noch nie gesehen hast. Zärtlichkeit und Zusammenhalt sind hier meist  unverkennbar. Und nicht  zuletzt  ist  es  auch für die Hunde ein großer Vorteil, mit Artgenossen in einem Rudel zu leben. Auch wenn der Mensch vom Hund als vollwertiger Sozialpartner akzeptiert wird, sind wir natürlich trotzdem nicht fähig, so zu kommunizieren, wie es Hunde miteinander tun.