Die Top 10 Hunde-Irrtümer (Teil 1)
1. „Der will nur spielen“
Neben „der tut nix“ die wahrscheinlich meist gerufene Aussage unter Hundehaltern, die ihren Hund dann doch nicht so ganz unter Kontrolle haben. Und ein Fehldenken vieler Hundemenschen die tagtäglich durch die Hundeauslaufgebiete dieser Welt streifen, um für ihren Hund Sozialkontakte suchen. Fakt ist aber: Der Mensch ist ein mindestens ebenso hochwertiger Sozialpartner für einen Hund wie seine Artgenossen. Das ist ein Privileg, das Hunden (und auch uns Menschen) als einziges Lebewesen vorbehalten ist: Einen Artfremden als vollwertigen Partner betrachten zu können. D.h. für uns Hundehalter aber auch, dass Beschäftigung, Spiel und Sozialkontakt mit unseren Vierbeinern für sie ebenso erfüllend wäre, wie die Interaktion mit Artgenossen... wenn auch etwas aufwändiger. Es ist nämlich schon auch recht bequem seinen Hund in der Hundezone einfach laufen zu lassen und wieder nach Hause zu gehen, wenn er nach ausreichendem Toben mit anderen Hunden müde ist. Damit verbauen wir uns allerdings leider die große Chance uns für unseren Vierbeiner so spannend zu machen, dass es er sich vielmehr für uns interessiert als für alles andere und z.B. folglich auch besser rückrufbar ist.
Dazu kommt, dass erwachsene Hunde das echte, sog. „freie Spiel“, eigentlich seltener zeigen, als die meisten denken. Welpen und Junghunde spielen ja noch wesentlich mehr, mit dem großen Ziel Auszüge aus verschiedensten Motivationskreisen später für den Ernstfall zu üben. Spiel dient also der Entwicklungsförderung. Erwachsene Hunde haben diesen Prozess weitestgehend hinter sich – sie zeigen echtes Spiel also in der Regel eher nur mit sehr vertrauten Hunden. Das kennen wir ja von uns selbst: Oder setzt Du Dich als erwachsene Menschen manchmal mit Spielkarten in den Park und sprichst Fremde an um sie zum Mitspielen zu bewegen? Eher nicht. Als Kind hast Du das aber mit großer Wahrscheinlichkeit getan, um Deine Kompetenzen zu testen und verbessern und Dich schlicht auszuprobieren. Als Erwachsene spielst Du jetzt aber, wenn überhaupt, nur mehr mit vertrauten Freunden.
Was also oft als Spiel zwischen erwachsenen Hunden gedeutet wird, ist sehr oft (meist einseitiges) sexuelles Interesse, dass dann im Übersprung zu einem Spiel wird. Oder z.B. auch territoriales Begrenzen, das oft als Jagdspiel interpretiert wird. Es gibt eine Reihe wichtiger Merkmale für echtes losgelöstes Spiel, eines der wichtigsten dabei ist der gegenseitige Rollentausch. Dass also die Rolle zwischen Jäger und Gejagtem regelmäßig wechseln, um eine Ausgeglichenheit beider Spielpartner zu schaffen.
2. „Wenn der Hund mit dem Schwanz wedelt, freut er sich“
Schwanzwedeln kann auch ein Ausdruck von Freude sein, allerdings ist es mitnichten ein genereller Ausdruck von Freude. Denn ganz generell betrachtet ist Schwanzwedeln ein Ausdruck von Erregung. Diese kann wiederum aus allen möglichen Motivationen kommen: Jagdliche Erregung – beim Dackel der im Mäuseloch buddelt und wild erregt mit der Rute wedelt, aggressive Erregung – wenn Hunde sich einander drohen und ihre Ruten breit schwingend in Verlängerung des Rückens wedeln, sexuelle Erregung – wenn beispielsweise ein Rüde auf eine spannende Hündin trifft und von der Rutenspitze viele kleine vibrierende Bewegungen ausgehen oder zum Beispiel auch unsichere Erregung – wenn die Rute ziellos in alle möglichen Richtungen schwingt. Gut ist aber, dass sich die Stimmung des Hundes durchaus über die Haltung und Bewegungen der Rute erkennen lässt. So ist ein freundliches, beschwichtigendes Wedeln, welches häufig zur Begrüßung gezeigt wird, eher tief angesetzt. Je höher die Rute getragen wird, desto mehr möchte der Hund imponieren und folglich auch Duft aus seinem Analbereich verteilen, das Wedeln ist dieser Absicht dienlich. So ziehen Hunde wiederum bei Angst oder Unsicherheit die Rute ja oft auch bis zum Bauch ein, um diese Duftverteilung eben möglichst zu vermeiden und nicht auf sich aufmerksam zu machen. Manche Rassen haben anatomisch geformte Ruten, die sich wie automatisch über den Rücken biegen. Dennoch können sie ihre Rute auch anders tragen, beim Schlafen hängt sie auch entspannt runter. Man kann also sagen, dass diese Hunde eine gewisse „Grundbeeindruckung“ ausstrahlen möchten.
Allgemein gilt: Je schneller das Wedeln, desto größer ist übrigens der Erregungszustand – gleich welche Motivation dahinter steckt.
3. „Große Hunde brauchen ein Haus mit Garten“
Wahrscheinlich einer der größten Irrtümer der Hundehaltung überhaupt. Wie vorher schon erwähnt, ist der Hund ein echter Sozialpartner des Menschen geworden, der eng und vertraut mit ihm zusammenlebt. Das heißt auch, dass bei einem großen Haus mit 20 ha Grundstück und 250 qm Wohnfläche ein Hund mit guter Beziehung zum Menschen, trotz der Weitläufigkeit automatisch die Nähe seines Halters suchen würde. Befindet sich die Familie beispielsweise im Wohnzimmer, wird der Hund trotzdem immer bestrebt sein dabei zu sein – egal ob er 50 kg hat oder nur 8 kg. Ein Hund wird also die Bewegungsfreiheit in einem so großen Haus nicht mehr schätzen und nutzen als in einer 50 qm Wohnung mitten in der Stadt. Generell hat auch die Natur vorgesehen, dass die „Höhle“ ein Rückzugsort zum Schlafen und Energietanken ist, in der man sich sozusagen in Ruhe auf den nächsten Jagdausflug vorbereiten kann. Lässt man den Hund dann mal in den großen Garten, wird er das Platzangebot ebenso nutzen wie jenes, das ihm auch auf der Hundewiese zur Verfügung steht. Mit einem Vorteil: Es ist für den Menschen bequemer seinen Vierbeiner „mal eben“ in den Garten zu lassen. Folglich empfinde ich es für den Hund sogar eher oft als Nachteil einen großen Garten zur Verfügung zu haben, da die Menschen dann eben oft auf aufregende Abenteuerspaziergänge verzichten und eher verleitet sind stupide Ballwurfspiele im Garten zu machen, um den Hund entsprechend auszupowern.
Wahrscheinlich kommt dieser Irrglaube noch aus der Zeit in der Hunde noch echte Funktionen, wie das Bewachen von Grundstücken hatten. Dies sollte aber bei Hunden, die in unserer Gesellschaft klar kommen müssen, bei Weitem keine primäre Aufgabe des Hundes mehr sein. Lasse ich meinen Hund nämlich Tag und Nacht in Haus und Garten patrouillieren, kann ich nicht von ihm erwarten, dass er auch erwünschte Besucher freundlich empfängt oder draußen an der Leine jegliche Funktionen abgibt.
4. „Die machen sich das schon selber aus“
Wahrscheinlich auch eine der Top-3-Hundewiesen-Weisheiten. Seit Jahren frage ich mich, was dieses „das“ aber eigentlich sein soll? Wenn jemand nun meint „na die Rangordnung!“ dann kann ich nur kopfschüttelnd wiedersprechen. Hunde die sich im Park begegnen und nicht miteinander im Rudel leben, müssen keinesfalls eine Rangordnung bilden. Natürlich kann es auch in diesen „kurzfristigen“ Begegnungen soziale Interaktionen geben, die zeigen wer z.B. der Souveränere von beiden ist. Das hat aber noch nichts mit der Bildung einer Rangfolge zu tun.
Ehrlich gestanden habe ich früher naiverweise auch nach diesem Prinzip gehandelt und meinem damaligen Hund attestiert, die Sache schon selber regeln zu können. Mit dem unerfreulichen Ergebnis nach kurzer Zeit einen Hund zu haben, der sich die Dinge tatsächlich „selbst ausmachte“ – und zwar ungefragt. Wir leben in einer Gesellschaft und Zeit in der wir unsere Hunde, so hart es klingen mag, eigentlich zur möglichsten Unselbständigkeit erziehen müssen und sie auch geistig nicht so richtig erwachsen werden lassen sollten. Ein hohes Maß an kindlicher Naivität erleichtert nämlich so ein Hundeleben ungemein. Wenn ein erwachsener, sehr reifer Hund seine territoriale Aufgabe beispielsweise durchaus ernst nimmt, kann der Gassigang durch die eigene Straße oft zum nervenaufreibenden Spießrutenlauf werden. Ein verspielter infantiler Vierbeiner hingegen, wird sich in der Blauäugigkeit eines Welpen über jeden freuen der ihm entgegen kommt.
Ziel sollte es also sein, in Hundebegegnungen möglichst im Sinne des Hundes handeln, ihn vor potentiell unangenehmen Begegnungen zu schützen bzw. auch mal einzugreifen, wenn es ihm zu heftig wird. Tut man dies nicht, lernt der Vierbeiner im Zweifel: „Frauli oder Herrli sind eigentlich keine guten Vertrauenspersonen und in brenzligen Situation nicht für mich da – ich muss das wohl selbst klären“.
5. „Kamphunde sind aggressiv“
Hier muss nichts vereitelt werden: Kampfhunde wurden ursprünglich zum Kampf gezüchtet! Allerdings nicht gegen Menschen, sondern gegen Tiere wie Bären, Bullen , Ratten oder leider auch andere Hunde. Daher kommen auch die Namen vieler Hunde dieser Rassen: „Pit Bull“ zum Beispiel, setzt sich aus „Pit“ (=Kampfarena) und „Bull“ (=Stier) zusammen. Dazu muss aber auch betont werden, dass in England, woher die meisten dieser offiziell „Doggenartigen“ genannten Hunde stammen, bereits 1835 Hundekämpfe verboten wurden. Dies hatte aber leider zur Folge, dass sich das beliebte Schauspiel in die USA und andere Länder verlagerte. Bis heute finden illegale Kämpfe statt, was dem Rassebild natürlich kein besseres Image verleiht. Dennoch ist unbedingt zu betonen: Aggression gegen Menschen war bei diesen Hunden gänzlich unerwünscht! Menschen waren schließlich die Veranstalter dieser Kämpfe, mussten die Hunde nachher oft trennen und aus den Arenen bringen – da wäre ein Biss in den Arm äußerst unpässlich gewesen. In keiner Weise ist diesen Hunden also eine Grundskepsis mit Menschen anzudichten, zumindest nicht mehr als bei anderen Rassen: Schlechte Sozialisierung oder das gezielte Scharfmachen dieser Hunde, sind leider oft die Gründe für ihr medial auch bestens ausgeschlachtetes negatives Renommee. Würde man einen Yorkshire Terrier, der übrigens ebenso wie der American Pit Bull Terrier, ursprünglich für das Fangen von Ratten gezüchtet wurde, gegen Menschen scharf machen, kämen dieselben Verhaltensweisen zum Vorschein. Allerdings mit dem Unterschied, dass das Gebiss eines Pit Bulls beispielsweise wesentlich breiter und damit auch kräftiger ist, als das kleine Mäulchen eines Yorkis.
Fortsetzung folgt...