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Lebensqualität beim Hund einschätzen

 

Wenn ein geliebter Hund alt oder schwer krank wird, stehen viele Halterinnen und Halter vor der vielleicht schwersten Frage überhaupt:

Hat mein Hund noch Lebensqualität?
Leidet er – oder genießt er trotz Einschränkungen noch sein Leben?

Die Antwort darauf ist selten eindeutig. Umso wichtiger ist es, nicht nur dem Bauchgefühl zu vertrauen, sondern sich auch an objektiven Kriterien zu orientieren. Eine bewährte Hilfestellung bietet die sogenannte „HHHHHMM“-Skala, entwickelt von der US-amerikanischen Tierärztin Dr. Alice Villalobos – einer Pionierin der tiermedizinischen Palliativversorgung.

 

 

Was bedeutet „HHHHHMM“?
 

Der Name steht für sieben zentrale Lebensbereiche:

  • Hurt – Schmerz
  • Hunger – Nahrungsaufnahme
  • Hydration – Flüssigkeitsversorgung
  • Hygiene – Sauberkeit und Pflege
  • Happiness – Zufriedenheit
  • Mobility – Beweglichkeit
  • More Good Days than Bad – Mehr gute als schlechte Tage

 

Jeder Bereich wird auf einer Skala von 0 (sehr schlecht) bis 10 (optimal) bewertet.
Die Gesamtpunktzahl dient als Orientierungshilfe, um die Lebensqualität des Hundes möglichst objektiv einzuschätzen.

 

 

Die 7 Lebensbereiche im Detail

 

 

1. Schmerz (Hurt)

  • Hat der Hund Schmerzen? Lassen sich diese durch Medikamente gut kontrollieren?
  • Zeigt er Anzeichen wie Hecheln, Winseln, Rückzug oder Abwehrverhalten bei Berührung?

Bewertung:
0 = starke Schmerzen / 10 = völlig schmerzfrei

Hinweis: Auch „stille“ Schmerzen (z. B. Arthrose, Tumoren, Zahnerkrankungen) sollten nicht unterschätzt werden.

 

 

2. Hunger

  • Frisst der Hund noch selbstständig und mit Appetit?
  • Oder muss er motiviert, von Hand gefüttert oder künstlich ernährt werden?

Bewertung:
0 = frisst nichts / 10 = frisst normal oder gierig

Achtung: Anhaltende Futterverweigerung ist ein Warnsignal für Schmerzen oder Unwohlsein.

 

 

3. Flüssigkeitsversorgung (Hydration)

  • Trinkt der Hund ausreichend?
  • Ist die Hautelastizität (Hautfaltentest) unauffällig?

Bewertung:
0 = stark dehydriert / 10 = gut hydriert

Hinweis: Flüssigkeitsmangel kann ernsthafte Kreislauf- und Organprobleme verursachen.

 

 

4. Hygiene

  • Kann sich der Hund selbst sauber halten?
  • Liegt eine Inkontinenz vor? Ist eine hygienische Versorgung noch möglich?

Bewertung:
0 = dauerhaft verschmutzt / 10 = sauber und gepflegt

Tipp: Auch bei Pflegebedarf kann Hygiene erhalten bleiben – mit entsprechender Unterstützung.

 

 

5. Zufriedenheit (Happiness)

  • Wirkt der Hund noch aufmerksam, lebendig, interessiert?
  • Zeigt er Freude an sozialen Kontakten, an Spiel oder Berührung?

Bewertung:
0 = apathisch, desinteressiert / 10 = lebensfroh und aktiv

Beobachte: Rückzug, ständiges Schlafen oder Teilnahmslosigkeit sind ernstzunehmende Signale.

 

 

6. Beweglichkeit (Mobility)

  • Kann sich der Hund ohne große Schmerzen bewegen?
  • Sind Aufstehen, Liegen, Treppensteigen oder Spazierengehen möglich?

Bewertung:
0 = völlig unbeweglich / 10 = mobil (altersgerecht)

Wichtig: Auch eingeschränkte Mobilität kann durch Hilfsmittel (Tragehilfen, Rampen) gut kompensiert werden.

 

 

7. Mehr gute als schlechte Tage

  • Gibt es deutlich mehr Tage mit Appetit, Interesse und Wohlbefinden?
  • Oder häufen sich schlechte Tage mit Schmerz, Rückzug oder Desorientierung?

Bewertung:
0 = kaum noch gute Tage / 10 = deutlich mehr gute als schlechte Tage

Diese Kategorie ist oft der ehrlichste Gradmesser für Lebensqualität.

 


 

Auswertung:

  • 0–70 Punkte insgesamt
  • Ein Wert über 35 Punkten deutet auf eine noch akzeptable Lebensqualität hin.
  • Unter 35 Punkten: Es ist sinnvoll, über weitere medizinische Unterstützung oder eine begleitete Entscheidung nachzudenken.

 

 

 

Fazit: Dein Bauchgefühl zählt – aber nicht allein

Die HHHHHMM-Skala ersetzt keine medizinische Diagnose. Aber sie hilft dabei, mit klarem Blick auf das Wesentliche zu schauen:
Wie geht es meinem Hund – wirklich?

Und sie unterstützt dich dabei, eine Entscheidung zu treffen, die von Liebe, nicht von Angst oder Schuld geprägt ist.

Wahre Tierliebe bedeutet nicht, Leiden zu verlängern – sondern rechtzeitig loszulassen, wenn das Leben zur Last wird.