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Wenn der Hund nicht zur Ruhe kommt

Wir alle kennen das: Man hetzt beruflich von Termin zu Termin und in der Freizeit will man Familie, Freunde und Hobby unter einen Hut bekommen. Selbst wenn man dann zehn Minuten Zeit findet, checkt man schnell noch ein paar Nachrichten in den Social Media. Am Abend kommt man kaum oder nur schwer zur Ruhe, kann schlecht einschlafen. Tagsüber reagiert man gereizt und kann sich nicht konzentrieren. Auf Dauer können sich sogar gesundheitIche Probleme entwickeln. Dabei sind regelmäßige Pausen und Ruhephasen ein Grundbedürfnis unseres Körpers und zur Erhaltung unseres Wohlbefindens so wichtig. Menschen benötigen je nach Typ zwischen sechs bis acht Stunden Schlaf. Aber nicht nur wir benötigen genügend Ruhezeiten, auch bei unseren Hunden ist es wichtig, dass sie ausreichend Ruhe und Schlaf bekommen. Denn nur dann können sie Erlerntes verarbeiten.

Raus aus dem Stress

Oft erlebe ich als Hundetrainerin Hunde, die stets aufgedreht, manchmal sogar ständig bellend, auf Kleinigkeiten übermäßig stark reagieren. Hunde, die mit vollem Körpereinsatz in die Leine gehen, im Spiel kein Ende finden und im Freilauf hektisch, scheinbar ziellos die Gegend erkunden. Es fällt ihnen sichtlich schwer, sich im Training zu konzentrieren oder abwartendes Verhalten zu zeigen. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass fehlende Ruhe nicht der einzige Auslöser für die hier genannten Verhaltensweisen ist, aber ein wichtiger Baustein bei der Lösung der Probleme sein kann.
Hunde brauchen Beschäftigung, dies ist mittlerweile den meisten Hundehalter:innen bekannt. Und so machen sich viele Menschen Gedanken darüber, wie sie den Hund sowohl körperlich als auch geistig auslasten können, und wie man den Hund typ- und artgerecht beschäftigen und ihm Abwechslung durch verschiedene Trainingsmöglichkeiten bieten kann. Zudem sollen sehr viele Hunde ihre Halter:innen möglichst bei allen Aktivitäten am Tag begleiten und am liebsten ständig an der Seite ihrer Menschen sein. Das hört sich ja eigentlich optimal an, doch unser Leben ist oft stressig und von vielen Verabredungen und Terminen geprägt. Und leider vergisst man dabei allzu oft, dass auch Hunde genügend Ruhephasen zwischen den Aktivitäten benötigen.

Doch wie viel Ruhe braucht ein Hund?

Erwachsene Hunde brauchen zwischen 17 und 20 Stunden Ruhezeiten am Tag. Welpen, alte oder kranke Hunde sogar zwischen 18 und 22 Stunden. Wenn man das so sieht könnte man meinen, dass Hunde ja fast unentwegt schlafen müssten. Die Ruhezeiten beinhalten aber nicht nur die Schlaf- bzw. Tiefschlafphasen, in die Hunde sogar von einer auf die andere Minute versinken können und die ca. sechs his acht Stunden des Tages einnehmen. Ruhezeiten beinhalten auch Ruhepausen, in denen der Hund sich hinlegt, um sich auszuruhen oder nur mal kurz zu verschnaufen, sowie Zeiten, in denen der Hund einfach nur herumliegt und vor sich hindöst. Der Ausdruck „hundemüde" bezieht sich übrigens genau darauf, dass Hunde einfach einen Großteil des Tages ruhen und daher scheinbar ständig müde sind.

Ursachen für Unruhe

Nicht selten spielt die Genetik eine Rolle bei ausgeprägter Ruhelosigkeit. Wurde eine Rasse durch Zucht auf Arbeitsleistung
selektiert, für die eine hohe Aktivität und starke Reizempfänglichkeit wichtig war, kann darin eine höhere Anfälligkeit für ein eher unruhiges Verhalten begründet sein. Zur Ruhe zu kommen fällt solchen Hunden deutlich schwerer als anderen Rassen.
Wenn dann zusätzlich noch weitere Stressfaktoren in der Welpenzeit hinzukommen, wie z. B. Unruhe der Mutterhündin durch Überforderung, sodass kaum Erziehung und wenig Interaktionen mit den Welpen stattfinden, aber auch die zu frühe Trennung von Eltern und Geschwistern, ist eine Neigung zur Unruhe eher wahrscheinlich. Und auch die Haltung in der neuen Familie wirkt sich auf das weitere Verhalten des Hundes aus: Von einem Training zum nächsten, dabei immer nur „Action" durch dynamische Trainingsformen, im Haus keine Rückzugsmöglichkeiten bei ständigem Trubel durch Kinder, Besucher:innen etc., Überforderung des Hundes, wenn er sich für den Menschen bzw. die Sicherung des Zuhauses zuständig fühlt, sowie das ständige Eingehen des Menschen auf Forderungen des Hundes führen am Ende dazu, dass es sich aus Sicht der Kunden und Kundinnen um einen „hyperaktiven" Hund handelt. Wie bei vielen Verhaltensweisen sind die Ursachen für ausgeprägte Ruhelosigkeit bzw. Hyperaktivität daher in einer Kombination aus genetischen Faktoren und den Einflüssen der Umwelt zu finden. Die Anlagen sind bereits vorhanden und werden dann noch durch ungünstige Haltungsformen festgelegt.

Dem Hund helfen, zur Ruhe zu kommen

Die meisten Hunde haben es einfach nicht gelernt, zur Ruhe zu kommen, es ist eben auch ein Lernprozess. Unterstütze deinen Hund dabei, ausreichend erholsamen Schlaf und Ruhemöglichkeiten zu bekommen. Das erreichst du mit einigen wenigen Übungen sowie dem Aufstellen von Regeln im Alltag.

 

• Strukturiere den Alltag deines Hundes, indem du Rituale einführst. Ein gleichbleibender Rhythmus im Tagesablauf ist hilfreich und gibt deinem unruhigen Hund die Sicherheit, sich zu orientieren und die vorgegebenen Rituale zu akzeptieren.
Beginne und beende dazu einzelne Aktivitäten wie Gassirunden, Essenszeiten, Spielaktivitäten im Garten oder im Haus, aber auch die Ruhezeiten, immer in etwa zu den gleichen Uhrzeiten. Das bedeutet aber nicht, dass du deinem Hund immer genau um Punkt 17 Uhr das Futter hinstellen sollst. Denn zu feste und starre Strukturen führen dazu, dass dein Hund unruhig wird, wenn diese, aufgrund unplanmäßiger Gegebenheiten, die im Alltag immer wieder einmal vorkommen können,  nicht eingehalten werden.

• Der Liegeplatz deines Hundes sollte ein Rückzugsort sein und ihm die Möglichkeit geben, auch tatsächlich zur Ruhe zu kommen. Sein Platz sollte sich nicht in der Mitte des Raumes, neben einer stark frequentierten Tür oder mitten im alltäglichen Geschehen befinden, Besser ist eine Liegestelle in einer ruhigen, windgeschützten Ecke ohne starke Sonneneinstrahlung. Das heißt natürlich nun aber nicht, dass sich dein Hund abseits von dir aufhalten soll. Vielmehr soll er überall dort, wo du dich aufhältst, eine Liegestelle haben. Denn die Gruppe verbringt ihre Zeit überwiegend zusammen, das stärkt den Zusammenhalt und gibt Sicherheit. Richte daher z.B. einen Platz im Wohnzimmer neben dem Sofa für ihn ein.
Nachts darf er mit ins Schlafzimmer und neben deinem Bett schlafen. Damit sich dein Hund gern auf seinen Liegeplatz legt, schickst du ihn auf die Decke und gibst ihm dort beispielsweise einen Kauknochen. Steht er mit dem Kauknochen auf, nimmst du ihm diesen kommentarlos weg und schickst ihn wieder auf die Decke, wo er ihn erneut erhält. Schnell wird er raushaben, dass er die Leckerei auf der Decke in Ruhe fressen kann, und sich gern dorthin zurückziehen. Zu dem kannst du deinem Hund Liegestellen, die keine Ruhe bieten, unbequem machen. Immer dann, wenn er sich dort niederlässt, musst du genau dort gerade putzen oder genau durch diese Tür hindurchgehen, sodass er aufstehen und sich woanders hinlegen muss. Auch hier wird er schnell lernen, dass es sinnvoll ist, sich auf den Ruhe bietenden Liegeplatz zurückzuziehen.
Natürlich kannst du deinen Hund auch gezielt auf die Liegestelle schicken. Übe dies frühzeitig, anfangs nur für wenige Sekunden, später dann für eine immer längere Zeit. Zunächst passiert dabei nichts Aufregendes, nach und nach kannst du dann immer spannendere Ablenkungen einbauen. So lernt dein Hund mit diesen Übungen, auf seinem Liegeplatz abzuschalten und auszuruhen. Er weiß, dass immer dann, wenn du ihn auf seinen Platz schickst, nichts von ihm erwartet wird. Insbesondere territorial motivierte Hunde können auf einem ruhigen, unstrategischen Platz, d. h. einem Platz ohne Möglichkeit zum Wachen oder Beobachten, Verantwortung abgeben und so zur Ruhe kommen.

• Oft bekommst du auch den wohlgemeinten Rat: „Du musst deinen Hund nur immer richtig auspowern, dann kommt er schon zur Ruhe". Und klar, wenn du mit deinem Hund Ball spielst und er immer und immer wieder dem Ball hinterherhetzen darf, bis seine Zunge auf den Boden hängt, ist er danach mit Sicherheit erst einmal rechtschaffen müde und wird sich ausruhen. Ein gesunder, erwachsener Hund braucht aber nicht lange, bis er wieder bereit zur nächsten Aktivität ist. Und so wird er schnell wieder gestresst herumrennen und dich nerven. Zudem wird dein Hund durch stetiges Training immer fitter und fitter, sodass die Phase des Ausruhens immer kürzer werden wird. Und dann
kommt auch noch der Suchtfaktor hinzu. Insbesondere jagdliche Aktivitäten wie das Hinterherhetzen nach dem Ball setzen beim Hund den Botenstoff Dopamin frei, was dazu führt, dass er regelrecht süchtig nach der Beschäftigung wird. Doch auch bei rein körperlicher Beschäftigung, wie z. B. beim Zughundesport oder dem Laufen am Fahrrad, wird das Glückshormon ausgeschüttet. Das ist der Grund, warum viele Hunde durch zu viel „Power" überdrehen und erst recht nicht zur Ruhe kommen.
Daher solltest du vor allem mit einem eher unruhigen Hund lieber ruhige Beschäftigungsformen wählen, wie z. B. alle Formen der Nasenarbeit, also beispielsweise Suchspiele wie die Futtersuche im Schnüffelteppich, die Suche nach kleinsten Gegenständen etc. Auch die Art der Belohnung solltest du anpassen und deinem Hund nicht etwa ein Bällchen zur Belohnung werfen, sondern ihn durch ein ruhiges Lob, sanften Körperkontakt oder gegebenenfalls ein Leckerli belohnen.


• So wichtig ausreichend Beschäftigung für deinen Hund ist, noch wichtiger ist es, dass er lernt, einfach auch einmal nichts zu tun. Hat ein Hund einen Liegeplatz, den er gut annimmt und der ihm Ruhe bietet, wird er in der Wohnung schnell zur Ruhe kommen. Doch sobald der Mensch die Leine in die Hand nimmt, drehen viele Hunde regelrecht durch. Endlich geht es raus, endlich „Action", endlich etwas tun. Achte daher darauf, dass die Aktivitäten mit deinem Hund nicht immer nur Beschäftigungszeit beinhalten. Gehe auch immer wieder mit deinem Hund spazieren, ohne dass er Aufgaben erfüllen muss. Lass ihn „einfach einmal Hund" sein und ihn am Wegesrand schnüffeln, hier und da schauen sowie einfach seiner Wege gehen. Natürlich immer nur in den Grenzen, die du ihm vorgibst. Dein Hund sollte sich immer nur so weit von dir entfernen, wie er für dich noch ansprechbar bzw. rückrufbar ist, und andere im Freilauf nicht belästigen. Immer wieder sollte auf deinem Spaziergang dann auch das „Nichtstun" auf dem Programm stehen. Beim sogenannten „Abschalttraining" lernt dein Hund, dass er sich ruhig neben dir aufhalten soll und warten muss. Dazu gehst du mit deinem Hund an einen in der Anfangsphase möglichst reizarmen Ort im Park, am Waldrand, auf einem Feldweg oder Parkplatz. Setze dich dort hin und leine deinen Hund neben dir an, ohne ihm ein Signal wie „Sitz", „Down" oder „Bleib" zu geben. Vielleicht nimmst du dir ein Buch mit, sodass du nun einige Zeit lang lesen kannst. Ignoriere deinen Hund dabei, er bekommt jetzt von dir keinerlei Aufmerksamkeit. Du schaust ihn weder an noch sprichst du mit ihm, und du fasst ihn auch nicht an! Viele Hunde halten es kaum ein paar Minuten lang aus und werden unruhig. Sie sind es gewohnt, dass immer eine Aktivität stattfindet. Es geht jetzt darum, die Langeweile und die eventuell vorhandenen Reize auszuhalten. Für dich bedeutet das daher unter Umständen, dass du lernen musst, zu akzeptieren, dass dein Hund anfängt zu fiepen, zu bellen, an der Leine zu zerren oder sich mit etwas, was um ihn herum auf dem Boden liegt, zu beschäftigen. Sobald dein Hund von allein zur Ruhe gekommen ist und sich vielleicht sogar absetzt oder hinlegt, wartest du noch einen kurzen Moment, dann ist die Übung beendet. Damit nun aber nicht wieder eine Erwartungshaltung bei deinem Hund entsteht, belohnst du ihn jetzt nicht. Stehe einfach auf und setze deinen Spaziergang fort. Schafft dein Hund es nicht, an dem von dir gewählten Ort nach einiger Zeit (ca. 30 Minuten) zur Ruhe zu kommen, brichst du das Training ab und setzt deinen Spaziergang weiter fort. Für die Zukunft musst du dann zunächst einen Ort mit weniger Außenreizen auswählen. Unterschätze nicht, wie anstrengend das Abschalttraining für deinen Hund ist, insbesondere dann, wenn du Schritt für Schritt Außenreize hinzufügst. Dein Hund muss lernen, diese Reize wahrzunehmen, aber nicht darauf zu reagieren. Nach einem solchen Training solltest du daher nicht noch eine anstrengende Trainingseinheit eurer Lieblingsbeschäftigung beginnen. Für deinen Hund spannendere Reize kannst du immer dann hinzufügen, wenn dein Hund am ausgewählten Ort gelernt hat, abzuschalten, und die Zeit, bis er es schafft, zur Ruhe zu kommen, sehr kurz geworden ist. Steigere dann das Abschalttraining langsam, indem der Hund nun immer länger an dem jeweiligen Ort in Ruhe warten muss, bis du die Übung beendest.

Fazit

Zusammengefasst kannst du durch ruhefördernde Strukturen im Alltag, mit einem gesunden Maß an Auslastung bei guter Balance zwischen ruhigen und dynamischen Aktivitäten sowie einem solide aufgebauten Abschalttraining erreichen, dass dein Hund ein ausgeglichener Begleiter wird. Doch auch dann, wenn dein Hund bereits zu den eher hyperaktiven Vierbeinern zählt, kannst du ihm durch die hier vorgestellten Maßnahmen zu mehr Lebensfreude verhelfen, denn ein Leben in ständiger Anspannung ist weder psychisch noch physisch für den Hund gesund.

 

Ein Artikel unserer Kollegin Rossi Deppe von der MARTIN RÜTTER HUNDESCHULE GUMMERSBACH/ LÜDENSCHEID